Die Drachenkämpferin 02 - Der Auftrag des Magiers
Fantasie des Berichterstatters entsprungen war. Sennar wusste also weder, wo genau, noch in welcher Entfernung er sich befand. Sie mussten sich immer in westliche Richtung halten - alles andere stand in den Sternen.
Je rascher das Schiff durch die Wellen glitt, desto stärker spürte Sennar, wie ihm die Beklemmung die Kehle zuschnürte.
Nach dem Entern des feindlichen Piratenschiffs hatte es die Besatzung aufgegeben, ihn stets misstrauisch zu beäugen. Der Kapitän schien ihn sogar in gewisser Weise zu achten, und immer häufiger geschah es, dass Aires fast vertrauensvoll das Wort an ihn richtete. Irgendwann genoss Sennar die Sympathie des ganzen Haufens - mit Ausnahme einer Person: dieses mysteriösen Gastes. In den ersten Tagen war nicht viel von ihm zu sehen. Er steckte die meiste Zeit über in Aires' Kajüte, wo sie ihn, so oft es ging, aufsuchte. Als er dann aber begann, auf Deck hin und her zu spazieren, schien er ein vollkommen anderer Mensch geworden zu sein. Das war nicht mehr der bedauernswerte Gefangene, den man an Bord geschleppt hatte. Er wirkte nun wie ein Höfling, mit seinen langen kastanienbraunen Haaren, die er zu einem dicken Pferdeschwanz zusammengebunden trug, seinen lebhaften blauen Augen und dem sorgfältig gepflegten Bart. Zweifellos waren seine ebenmäßigen, aber gleichzeitig doch sehr männlichen Gesichtszüge wie dazu geschaffen, die Frauen zu betören, wie auch die Tatsache, dass der neue Passagier auf besonders elegante Kleidung Wert zu legen schien. Seine weitärmeligen Hemden waren aus schneeweißer Seide und seine kostbaren Westen aus reich besticktem Brokat. So angezogen, schlenderte er über das Deck und ließ dabei seinen langen Umhang aus schwarzem Samt im Winde flattern, während seine Rechte stets auf dem kunstvoll ziselierten Heft seines Schwertes ruhte. Hin und wieder blieb er stehen und ließ einen nachdenklichen Blick über das Meer schweifen, scheinbar selbst ganz eingenommen von seinem Piratencharme. Traf er Sennar auf Deck, so maß er diesen nur mit geringschätzigen Blicken. Dem Magier kam dieser eitle Pfau wie ein Narr vor, doch die ganze Besatzung behandelte ihn mit besonderer Ehrerbietung, und keiner beschwerte sich darüber, dass er von morgens bis abends die Hände in den Schoß legte. Abends lud Rool ihn dann in das Achterkastell ein, wo sie bis tief in die Nacht zusammen tranken und plauderten. Sennar wollte gern mehr über diesen Mann erfahren und fragte bei Dodi nach. Und an einem stürmischen Abend, als der Magier wieder einmal gegen die Seekrankheit ankämpfte, erzählte ihm der Junge in allen Einzelheiten vom Leben des neuen Passagiers.
Benares, der Geliebte von Aires, hatte lange Zeit in einer Truppe gedient, die der König im Land des Meeres aufgestellt hatte, um endlich den Piraten das Handwerk zu legen, die lange schon auf See ihr Unwesen trieben.
Zuvor hatte er sich auf vielerlei Gebieten versucht, als Künstler, Dieb, Kaufmann oder Schmuggler. Nun Soldat zu sein war für ihn auch nur eine weitere Möglichkeit von vielen, sich in Schwierigkeiten zu bringen, und nach nichts anderem verlangte es ihn. Weil er so ausgezeichnet zu fechten verstand, hatte man ihn mit offenen Armen aufgenommen und hinsichtlich seiner fragwürdigen Vergangenheit gerne beide Augen zugedrückt. Seine Aufgabe war es, den Transport von Edelsteinen zu begleiten, die über See von den an Lagerstätten reichen Bergen des Letzten Vorgebirges zum Veredeln in weiter östlich gelegene Länder gebracht wurden. Von Anfang an fand er Gefallen am Ozean. Er liebte dieses abenteuerliche Leben, die Überfahrten und Piratenüberfälle. Und den Erfolg, den er damit bei den Frauen hatte. Obwohl er eigentlich kein Seemann war, wartete in jedem Hafen eine Braut auf ihn. So trieb er sieb ein Jahr lang auf den Meeren herum, ohne dabei auch nur einmal im Kampf den Kürzeren zu ziehen. Bis er dann seiner Nemesis begegnete.
Eines Tages wurde der Frachter, den er zu beschützen hatte, von Rools Piraten angegriffen. Benares kämpfte verbissen und hatte schon mehreren Männern das Fell gegerbt, als plötzlich Aires vor ihm stand. Von ihrer Schönheit fasziniert, unterlief ihm ein schwerer Fehler: Ergab sich zu galant.
»Frauen bekämpfe ich nicht«, erklärte er mit fester Stimme. »Frauen liebe ich.« Zur Antwort zerfetzte ihm Aires die Uniform mit dem Schwert und setzte sofort nach. Benares sah sich gezwungen, seine Waffe zu erheben, doch als ihm diese Frau nach einem hitzigen Zweikampf die
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