Die Drachenkämpferin 02 - Der Auftrag des Magiers
Panik, die ihn in dem Strudel erfasst hatte, an die Piraten, an Aires, an Ondines Zärtlichkeiten, und daran, dass er sie heute zum letzten Mal sehen würde.
Kurz nach ihm traf das Mädchen ein, und Sennar war erleichtert, dass damit seine rastlosen Gedankenströme gestoppt wurden. Ondine stand nun reglos, im Gegenlicht, vor ihm und sah genauso aus wie damals, als er sie kennengelernt hatte, an jenem Tag, als sie sich mit dem Tablett in Händen dem Gitter seiner Zelle genähert hatte. Doch nun war ihr Gesicht noch ernster.
»Morgen fährst du«, sagte sie.
»Tja, mein Bein ist wohl ganz verheilt«, murmelte er.
Ondine schwieg lange. Dann räusperte sie sich und atmete einmal tief durch. »In den letzten Tagen habe ich viel über uns nachgedacht, Sennar.« Sie hob den Kopf, und ihre Miene wirkte entschlossen, als sie hinzufügte: »Ich möchte mit dir kommen in die Aufgetauchte Welt.« Sennar blickte ihr tief in die Augen. »Ondine, ich ...«Sie hielt seinem Blick stand. »Ich lebe in einem vom Krieg zerrütteten Land. Das weißt du doch. Dem kann ich mich auch nicht entziehen, denn ich trage Sorge für den Zustand des Heeres im ganzen Land des Windes. Der Krieg ist mein Zuhause, und ich möchte nicht, dass du all die grauenhaften Dinge mit ansehen musst, die bei uns geschehen, ich will nicht, dass ...«
Ganz unvermittelt erhob Ondine die Stimme. »Ach, hör doch auf mit dem Unsinn, Sennar, und behandele mich nicht wie ein dummes Mädchen!«
Sie hat ja recht. Sie hat mir das Leben gerettet und mir immer zur Seite gestanden. Sie hat es verdient, die Wahrheit zu hören, und nicht diese barmherzigen Lügen. Aber er schaffte es nicht. Wie gelähmt blickte er in Ondines sanftes Gesicht und brachte keinen Ton heraus. Sie ergriff seine Hände. »Willst du mich, Sennar? Ich muss es wissen. Willst du, dass ich mit dir komme?«
Sanft plätscherte das Wasser im Brunnen, und der Wind in der Glasröhre heulte leise. Sennar schloss die Augen. »Nein, Ondine«, sagte er mit kaum vernehmbarer Stimme. »Ich mache mich morgen allein auf den Weg.«
Ondines Griff löste sich langsam. So stand sie vor ihm, ließ die Arme hängen und sagte kein Wort.
»Ondine, bitte hör mir zu. Ich mag dich sehr, du bist ein wunderbares Mädchen. Du hast mir geholfen, warst meine Gefährtin bei diesem Abenteuer. Oft habe ich gedacht, wie schön es wäre, für immer bei dir zu bleiben. Denn in deiner Nähe ging es mir gut... geht es mir gut. Doch tief in meinem Innern weiß ich jetzt, dass es nicht möglich ist.«
»Erinnerst du dich denn nicht mehr an jenen Abend in der Zelle«, sagte sie jetzt mit leiser Stimme. »Wenn ein Mann eine Frau küsst, sagt er ihr damit, dass er sie liebt. Warum hast du mich geküsst, Sennar?«
Sennar verspürte einen Kloß im Hals. »Weil du so schön bist wie nur wenige andere und ein wunderbares Geschöpf. Nach den vielen Toten, dem vielen Leid, hatte ich das Bedürfnis ...« Er brach ab. »Ondine, es gibt jemanden in der Aufgetauchten Welt, zu dem ich zurückkehren möchte.«
Sie erstarrte.
»Ich weiß nicht, wie ich es dir erklären soll. Ich kann dir noch nicht einmal sagen, ob ich in diese Frau verliebt bin. Im Zusammensein mit dir glaubte ich, sie vergessen zu haben. Dann, eines Tages, wurde mir plötzlich klar, dass ich nur nicht mehr an sie denken wollte, weil mich die Erinnerung schmerzte. Ich begriff, dass ich mir etwas vormachte. Dass ich dir etwas vormachte.« Das Mädchen ballte die Fäuste. Tränen traten ihr in die Augen und rannen ihr still über die Wangen. Noch nicht einmal ein Schluchzer entfuhr ihr.
Sennar streckte eine Hand nach ihrem Gesicht aus, doch Ondine wich einige Schritte zurück. Der Ausgang des Gartens war nahe.
»Leb wohl, Sennar«, sagte sie leise und entfernte sich, ohne sich noch einmal umzudrehen. Den Kopf noch voll von all den Gedanken, die ihn die ganze Nacht wachgehalten hatten, und mit dem Bild der still weinenden Ondine vor Augen, traf Sennar am nächsten Morgen auf dem Audienzplatz ein.
Als ihm Graf Varen entgegentrat, ließ Sennar ihn gar nicht zu Wort kommen. »Wäre es Euch möglich, Euch auf dem Rückweg ein wenig um Ondine zu kümmern, Graf?«
Varen nickte, und Sennar wusste, dass er verstanden hatte.
»Danke, dass Ihr an mich geglaubt habt, Varen«, sagte er dann und reichte ihm die Hand. Der Graf erwiderte den Händedruck und rang sich ein Lächeln ab. »Ich habe dir zu danken, Sennar. Du hast mir Dinge wieder nahegebracht, die ich schon ganz verloren hatte.
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