Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht
und gleichförmig vor. Wie Stimmen in einem Chor mischten sich andere Klänge in das Plätschern. Es waren verschiedenste, unvermittelte Geräusche. Sennar lauschte, kam aber nicht dahinter, was es war, und sagte sich irgendwann, dass sie nur seiner Fantasie entsprungen sein konnten. Eine andere Erklärung gab es nicht. Er versuchte, sich abzu lenken und an etwas anderes zu denken. Doch es war nicht zu machen: Die Geräusche wollten nicht verschwinden.
Dann war ihm, als höre er Stimmen, aber keine Worte, sondern nur undeutliche Laute, unterdrücktes, hämisches Gelächter. Man lachte über ihn, den jungen Magier, der da verschreckt und bis auf die Haut durchnässt allein in der Finsternis saß. Dann wurden die Stimmen deutlicher, und Schrittgeräusche gesellten sich hinzu. Schlurfen auf feuchtem Fels. Ein, zwei, drei, hundert Schritte, tausend Männer. Nein, da war niemand.
Das ist alles Einbildung. Bleib ruhig.
Da erglomm plötzlich ein schwacher Lichtschein, und Sennar rieb sich die Augen. Hatte er den wirklich gesehen? Nun war wieder alles dunkel. Er legte den Kopf gegen die Felswand zurück und schloss die Augen. Wieder Schrittgeräusche. Er hob die Lider und sah es ganz deutlich: ein starkes Licht, ein heller Punkt in der Dunkelheit. Er sprang auf.
»Was ist los?«, fragte Nihal im Halbschlaf.
»Da ist jemand«, flüsterte Sennar. Seine Hand leuchtete auf, um sofort mit einem Zauber reagieren zu können.
Nihal erhob sich und tastete nach ihrem Schwert, kam aber nicht mehr dazu, es zu ziehen. Sie spürte, wie eine Hand ihren Arm ergriff und umdrehte. Bevor sie zu Boden ging, sah sie Sennar vor sich: Ein Mann hatte ihn von hinten gepackt und hielt ihm ein langes Messer an die Kehle. Plötzlich war um sie herum alles hell. Nihals Gesicht wurde zu Boden gedrückt, aber sie nahm noch den Schein unzähliger Fackeln wahr. »Schau mal einer an, wir haben Gäste hier unten«, sagte eine Stimme.
Nihal versuchte, sich freizumachen. Aber ein Schlag traf sie am Kopf, und ihr wurde schwarz vor Augen.
Sennar leistete zäheren Widerstand. Er sandte einen Zauber aus und konnte damit den Mann mit dem Messer außer Gefecht setzen. Dann suchte er sein Heil in der Flucht, wurde aber umzingelt und erhielt einen mächtigen Schlag gegen die Beine. Er ging zu Boden, und der Schmerz nahm ihm den Atem. Hunger und Anstrengung hatten ihn zu sehr geschwächt, um sich weiter wehren zu können. Sein letzter Zauber war sein Schwanengesang.
Als Ido wieder Zu sich kam, war er von tiefer Finsternis umgeben. Er fühlte sich schwach, und ihm war, als habe sich ein Nagel in seinen Kopf gebohrt. Als er sich zu bewegen versuchte, waren seine Arme zu schwer, und er schaffte es nur, einen Finger zu heben. Dann hörte er ein Rascheln, und jemand trat an ihn heran.
»Wo bin ich?«, raunte er.
»In Dama, im Land des Meeres.«
Die Stimme kam ihm bekannt vor, er konnte sie im Augenblick aber nicht zuordnen. »Wer bist du? Ich kann dich nicht sehen ...«
»Ich bin Soana«, antwortete die Stimme.
Ido war verwirrt. Das Letzte, woran er sich erinnerte, war die Schlacht im Land des Wassers, und er konnte sich nicht erklären, wie er in das Land des Meeres gekommen war. Soana schien seine Ratlosigkeit zu spüren, denn sie sprach nun weiter. »Am zweiten Tag der Schlacht wurdest du verwundet und warst seitdem nicht bei Bewusstsein. Das Land des Wassers ist fast ganz verloren, und das Heer hat sich hierher geflüchtet.«
»Verloren?«
Soana antwortete nicht.
Es war eigentlich kein Wunder. Alle wussten, dass diese Offensive im Grunde eine Verzweiflungstat war. Und dann noch der Tod König Gallas ...
24. Das Auge
»Wie lange habe ich geschlafen?« »Vier Tage.«
Ein leichtes Schwindelgefühl erfasste Ido. Er musste übel zugerichtet sein, denn dass er vier Tage nicht bei Bewusstsein war, passierte ihm zum ersten Mal. »Was ist das für eine Wunde ...?« Er brach ab, das Reden strengte ihn an.
»Eine Kopfwunde. Deshalb kannst du auch nichts sehen. Du trägst einen Verband bis über die Augen. Aber vielleicht sollten wir nicht so viel reden. Ruh dich lieber aus.« Ido hätte gern geantwortet, er habe sich nun lange genug ausgeruht, es sei an der Zeit, klarer zu sehen, und mit all den Fragen im Kopf könne er ohnehin nicht schlafen, aber bevor er diese Gedanken formulieren konnte, versank er schon wieder in einem traumlosen Schlaf.
Als er am folgenden Morgen aufwachte, fühlte er sich entschieden besser. Er versuchte, die Augen zu öffnen, aber das
Weitere Kostenlose Bücher