Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht
hundert soll es hier geben, hat Ido gesagt. Das Donnern wird schon normal sein«, bemerkte Sennar, als wieder einmal die Erde bebte.
Nihal nickte zerstreut, wenig überzeugt von dieser Erklärung.
Während sie einmal auf allen vieren durch einen besonders schmalen Durchgang krochen, wurden sie auf etwas aufmerksam, das ihnen seltsam vorkam. »Bleib du hier«, sagte Sennar.
Er ließ ihr nicht die Zeit, etwas einzuwenden, und bewegte sich langsam durch das Wasser auf diesen Gegenstand zu. Es schien ein großes Bündel zu sein, verströmte aber einen unerträglichen Geruch nach Verwesung.
»Das wird doch nicht...«, Sennar legte eine Hand auf den Mund.
Im Wasser lag die Leiche eines Mannes. Seinem Zustand und dem Gestank nach zu urteilen, musste er schon einige Tage tot sein. Bis auf ein raues Leinengewand hatte man ihn vollständig entkleidet.
Nihal wich ein paar Schritte zurück und machte Anstalten, ihr Schwert zu ziehen, doch in dem Kanal war es zu eng, als dass sie es dort hätte führen können. So verharrten sie schweigend und lauschten auf mögliche Geräusche, hörten aber nichts weiter als das Plätschern des Wassers.
»Ob das ein Freund war oder ein Feind?«, fragte Sennar.
»Ich hab nicht die leiseste Ahnung ... Man hat ihm ja auch alle Waffen abgenommen.« So leise wie nur möglich drangen sie weiter vor, wussten dabei aber, dass dies nicht genügen würde, um sie vor einem Feind zu schützen, der ihnen irgendwo im Dunkeln auflauerte. Wer auch immer den Mann getötet hatte, er musste sich in den Kanälen gut auskennen und beobachtete sie vielleicht schon, um im passenden Augenblick über sie herzufallen.
Bei der einen Leiche, die sie im Wasser gefunden hatten, blieb es nicht. Am selben Tag fanden sie an einer anderen Stelle weitere Tote, und als sie zum oberen Zufluss eines Sammelbeckens gelangten, sahen sie unten auf der Wasseroberfläche vielleicht zwanzig Leichen treiben. Den meisten hatte man, wie dem Mann im Kanal, die Waffen abgenommen, andere umklammerten noch ihre Schwerter, wieder andere trugen leichte Brustpanzer. Anscheinend hatte ein Kampf stattgefunden.
Stumm standen Nihal und Sennar da und betrachteten die Szene, als die Halbelfe plötzlich die Stille durchbrach. Wütend zog sie das Schwert und schlug gegen den Felsen. »Wer ist da? Kommt raus! Wenn ihr uns töten wollt, müsst ihr schon rauskommen!«, rief sie aus voller Kehle. Dabei verlor sie das Gleichgewicht, fiel ins Wasser und wurde von der Strömung mitgezogen.
Sennar stürzte ihr nach und konnte sie gerade noch an einem Arm packen, bevor sie zu der Stelle gespült wurde, wo sich das Wasser aus beträchtlicher Höhe in das Becken ergoss. Er zog sie wieder auf den Steg hinauf, lehnte sie gegen die Wand und blickte sie ernst an.
»Nicht die Nerven verlieren, Nihal. Schreien bringt doch nichts!«
Nihals Atem beruhigte sich, und sie gab sich Sennars Umarmung hin. »So kann das doch nicht weitergehen ...«
»Wir sind bloß erschöpft«, sagte der Magier, »es wird schon alles gut.« Doch Nihal wusste, dass dies nur eine barmherzige Lüge war.
Sie erreichten eine weitere Halle und ruhten sich auf dem Felsabsatz aus. Er war schmal, und sie hatten kaum Platz nebeneinander.
»Am besten schläfst du dich mal aus. Ich übernehme die Wache«, bot Sennar an. »Als wenn das so leicht wäre zu schlafen, wenn man sich von unzähligen Augen beobachtet fühlt, die nur auf eine kleine Unaufmerksamkeit warten, um über einen herzufallen. Ganz zu schweigen vom Hunger, der Hitze und dieser unerträglichen Dunkelheit«, erwiderte Nihal.
»Glaub mir, ich bin auch am Ende. Aber wir dürfen nicht den Kopf verlieren. Ich bitte dich, versuch doch, ein wenig zu schlafen«, antwortete Sennar. Sein bestimmter Ton konnte die Halbelfe schließlich überzeugen.
Nihal kauerte sich neben ihm zusammen und legte den Kopf auf seine Schulter. So saß Sennar da und hielt allein die Augen offen. Die Flamme erhellte einen Bereich von einigen Ellen um ihn herum, und dahinter verloren sich die Umrisse in der Dunkelheit. Das Wasser vor ihm war schwarz wie Pech. Die Sinne des Magiers waren angespannt, wach. Angestrengt starrte er in die Finsternis, um jedes Anzeichen von Feinden zu erkennen, doch nichts rührte sich. Irgendwann ging ihm das rhythmische, unablässige Geräusch des Wassers auf die Nerven, es war, als wolle es ihn hypnotisieren, während er doch wach und ganz bei sich bleiben musste.
Dann allmählich kam ihm das Geräusch nicht mehr so rhythmisch
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