Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht
Feinde erbeben.
Nihal setzte den Helm auf und bedeutete Soana, hinter ihr aufzusitzen. Während sie sich noch, gemeinsam mit Ido auf seinem Vesa, zum Flug bereit machten, überkam die Halbelfe so etwas wie eine Vorahnung, und sie wandte den Kopf nach links. Da erblickte sie auf einem Felsvorsprung eine einzelne Gestalt, die etwas Dämonisches ausstrahlte. Sie wirkte alt und gebeugt, ihr zerschlissenes Gewand flatterte zusammen mit ihren endlos langen gelblichen Haaren im Wind dieses düsteren grauen Morgens. Es war Rais. Die Magierin reckte eine Faust, der Feste des Tyrannen entgegen. »Deine letzte Stunde hat geschlagen, du Bestie!«, schrie sie mit hasserfüllter Stimme. »Ich will dich, abgeschlachtet wie ein Kalb, in deinem Blute liegen sehen! Heute hat deine Schreckensherrschaft ein Ende!« Sie drehte sich zu Nihal um. »Sheireen, du mein Geschöpf, töte ihn! Schlag ihn in Stücke! Ich, die ich dich schuf und dir deine Kraft schenkte, befehle dir, dieses Ungeheuer abzustechen!« Ihre Worte gingen in irres Gelächter über.
Nihal wandte den Blick ab. Sie musste die Alte aus dem Kopf bekommen, durfte nur an das denken, was sie sich zu tun anschickte. Sie blickte zu Ido hinüber, und der Gnom nickte.
Sie hoben ab, und unter den entgeisterten Blicken der Feinde überflogen sie die Front. Soana baute eine magische Barriere um sie herum auf, und Ido machte sich zum Kampf bereit.
Doch nichts rührte sich in den feindlichen Linien. Reglos standen die Soldaten da und starrten ungläubig in die Höhe. Nihal trieb Oarf zu höchster Eile an, denn solange aus dem Lager der Feinde keine Drachenritter aufstiegen, hatten sie nichts zu befürchten. Aber die Truppen des Tyrannen waren überrumpelt worden. Nihal merkte, dass Fammin, Menschen und Gnomen unter ihr auf der Erde etwas wahrnahmen von den enormen Kräften des Talismans, dass sie begriffen, dass es sich bei dem weiß leuchtenden Wappen auf ihrer Rüstung um ein Vorzeichen des Todes handelte. Sie lächelte. Die Naturgeister wirkten bereits und standen ihr bei.
So gelangten sie in Sichtweite der Tyrannenfeste, und ihre Drachen, Oarf und Vesa, schwebten zu Boden. Dichte schwarze Wolken waberten um die Festung und machten diesen schicksalhaften Morgen noch düsterer. Sogar die Erde war schwarz, vergiftet von dem Bösen, das an diesem Ort herrschte. Keinen einzigen Grashalm gab es hier, nichts, nur rissigen, unfruchtbaren Boden.
Verwundert stieg Nihal ab. Es war nichts zu spüren von der Macht des Tyrannen. Die Feste wirkte verschlafen, fast teilnahmslos.
Nur noch Aster und Sennar hielten sich in dem Verlies auf. Lange Zeit schon rangen sie gegeneinander, in vollkommener Stille. Sennar versuchte, das Geheimnis zu wahren, das Aster ihm zu entreißen drohte, indem er in den Geist seines Gefangenen eindrang. Doch es war ein ungleicher Kampf. Der junge Magier war mit seinen Kräften am Ende, dazu verwundet, und der Tyrann war unsagbar mächtig und entschlossen. So spürte Sennar irgendwann, dass das gesamte Leid der Welt mit ungeheurer Macht gegen seine Schläfen und auf sein Herz drückte und sein Geist in einem Schmerz- und Farbtaumel explodierte. Alles lag bloß, seine Liebe, sein Leben, seine Erinnerungen, und das Geheimnis auf dem Grund dieses Strudels mittlerweile sinn- und namenloser Gefühle wurde offenbar. Und der Tyrann las alles, was er hatte wissen wollen.
Nihal hatte nicht die Zeit gehabt, sich zu fragen, wieso die Tyrannenfeste so still dalag. Mit ihrem Einzug in das Große Land waren die Kräfte des Amuletts auf ihrer Brust deutlich gewachsen. Da schien die Festung plötzlich zu erwachen. Rascher und wütender wirbelten die Wolken umher, und die ungeheure Macht des Tyrannen entfaltete sich. Nihal begriff, dass Aster unterrichtet war, spürte seinen Zorn, seine Angst, vor allem aber seine Entschlossenheit. Würden seine geballten Kräfte sie treffen, wäre alles vergebens.
»Sprich den stärksten Abwehrzauber, den du kennst«, murmelte sie Soana zu. Und schon holte sie den Talisman hervor, der jetzt in seinem vollen Glanz erstrahlte. Nihal spürte, wie Asters Zorn, aber auch seine Furcht weiter zunahmen. Bald würde die von Soana errichtete Schutzmauer nichts mehr ausrichten können. »Ael«, rief da die Halbelfe mit lauter, eindringlicher Stimme, und ein bläuliches Licht vom Himmel erfasste den ersten Edelstein.
»Glaell«, fuhr Nihal fort, und diesmal war es ein goldener Lichtstrahl, der auf sie herabkam. Da begann auch die Festung, immer stärker zu
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