Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht
Sennar? Ich brauche dich, deine Worte, deine Stimme. Ich brauche die Sicherheit, dass du für mich da bist, damit ich morgen kämpfen kann.
Eine tiefe Furcht überkam sie, und auch die Stimmen der Geister, die ihr nie ganz Ruhe gaben, bedrängten sie wieder, und so merkte Nihal nicht, dass die Tür geöffnet wurde und jemand auf sie zukam.
Sie schrak erst auf, als Ido neben ihr stand und ihr eine Hand auf den zerzausten Haarschopf legte. Nihal umarmte und drückte ihn ganz fest.
»Hast du Angst?«, fragte der Gnom.
»Ich habe nur Angst, dass Sennar tot sein könnte. Wenn er nicht mehr da ist, hat all das, was ich tue, doch gar keinen Sinn mehr.«
Ido streichelte ihr weiter über den Kopf. »Ich weiß, wie schwierig es für dich ist, aber du solltest nicht daran denken. Das führt zu nichts, es hindert dich daran, dich richtig auf die Schlacht einzustellen. Wenn du aber tatsächlich die Wahrheit wissen willst«, fügte er hinzu, »hast du ja den Dolch. Du brauchst ihn nur herauszuziehen.« »Und wenn ich dann sehe, dass er nicht mehr lebt? Nein, dann hätte ich keine Kraft mehr, um morgen zu kämpfen«, antwortete sie.
»Dann bleibt dir nichts anderes übrig, als zu glauben und zu hoffen. Sennar liebt dich, da wird er sich nicht so leicht umbringen lassen«, tröstete sie der Gnom mit einem Lächeln.
Ido blieb bei ihr, und nach und nach wurde sie ruhiger.
»Ich habe auch Angst«, sagte Ido irgendwann leise. »Ich habe dir ja oft gesagt, dass Angst eine Freundin des Soldaten ist, doch sie ist auch eine tückische Freundin, die sich nur schwer im Zaum halten lässt. Zum ersten Mal spüre auch ich heute Abend den Tod an meiner Seite und habe gleichzeitig entdeckt, dass mir letztendlich dieses verdammte Leben doch ganz gut gefällt, ja richtig gut sogar.«
Nihal blickte zu ihm auf. Nur selten hatte Ido so mit ihr geredet, ohne diesen mürrischen, ungeduldigen Ton, hinter dem er sich sonst gern verschanzte. »Ich weiß nicht, ob ich die Schlacht überlebe«, fuhr der Gnom fort. »Morgen werde ich ein für alle Mal meine Rechnung mit Deinoforo begleichen, und es ist nicht gesagt, dass ich die Oberhand behalte. Deswegen möchte ich dir jetzt etwas sagen, was ich mir selbst lange Zeit nicht eingestanden habe.« Er errötete, und Nihal merkte, wie verlegen er war. Sie wusste, welche Überwindung es Ido kostete, über seine Gefühle zu reden. »Eine Erlösung von meiner Vergangenheit, die ich zwanzig Jahre lang auf dem Schlachtfeld suchte, habe ich nie erlebt. Was ich gewesen bin, all das, was ich im Dienste des Tyrannen angerichtet habe, lässt sich nicht auslöschen. Jahrelang habe ich für dieses Ziel gekämpft und es nie erreichen können. Und dann, eines Tages, kamst du.« Der Gnom räusperte sich. »Anfangs warst du mir furchtbar lästig. Das Letzte, was ich mir wünschte, war ein Schüler, noch dazu ein Mädchen, eine Halbelfe. Aber dann stellte sich heraus: Du warst das Beste, was mir überhaupt passieren konnte, Nihal.« Er schwieg erneut und wandte den Blick von ihr ab. »Du hast mir sehr viel gegeben. Mehr als unzählige Schlachten und getötete Fammin hast du es mir ermöglicht, mich von meiner Vergangenheit zu befreien. Einmal habe ich im Streit zu dir gesagt, ich müsse dir nicht alles von mir erzählen, du seiest schließlich nicht meine Tochter. Das war falsch. Nihal, du bist wie eine Tochter für mich, und ich bin sehr stolz auf das, was aus dir geworden ist.« Der Gnom schwieg und seufzte.
Nihal umarmte ihn, so fest sie konnte. Nun hatte sie wieder einen Vater. »Ich bin dir so unendlich dankbar für alles, was du für mich getan hast.«
Ido hüstelte und schien sich ein wenig fassen zu wollen. »Sei zuversichtlich für morgen und denke nur an dein großes Ziel«, sagte er. »Du musst daran glauben, mit jeder Faser deines Körpers, damit das, was du dir wünschst, Wirklichkeit werden kann.« Mit diesen Worten kehrte Ido in seine Kammer zurück und ließ Nihal allein. Kurz darauf schlief Nihal ein. Der Dolch lag in ihren Händen, und ihr letzter Gedanke galt Sennar.
Noch bevor der Morgen graute und in der Ferne jenseits der Grenze die Umrisse der Tyrannenfeste erkennen ließ, erwachte das Lager, langsam und feierlich. Als die ersten schwachen Sonnenstrahlen durch das kahle Geäst des Waldes vor dem Lager lugten, waren fast schon alle zum Abmarsch bereit.
Ido trat zu Nihal in das Zimmer.
»Soll ich dir helfen, die Rüstung anzulegen?«, erbot sich der Gnom.
Nihal schüttelte den Kopf. »Nein,
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