Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht
glitschige Flüssigkeit über seinen ganzen Körper ergoss. Der Griff löste sich, und Sennar stürzte hinab ins Leere. Als er auf den Treppenstufen aufschlug, war er bereits bewusstlos.
Keuchend umklammerte Nihal ihr Schwert und baute sich vor dem Ungeheuer auf. Nur einen kurzen Augenblick betrachtete sie den Feind, und schon stürzte sie sich auf ihn.
Flink wich sie allen nach ihr schlagenden und greifenden Tentakeln aus, entschlüpfte wie eine Schlange, huschte hierhin und dorthin und schaffte es auf diese Weise schließlich, dicht vor den Leib der Bestie zu gelangen. Dann schlug sie zu. Einer der Fangarme krümmte sich ruckartig zusammen und fiel ins Leere. Ein Schwall stinkender warmer Flüssigkeit schoss aus dem Stumpf hervor, und das Brüllen der Bestie übertönte sogar das Toben des Meeres.
Nihal ließ nicht locker. Wieder wich sie aus, kam näher heran und warf sich auf das schon geschwächte Ungeheuer.
Wieder ein Hieb, dann noch einer und wieder einer, und bei jeder Attacke neuerliches Schmerzensgebrüll des Ungeheuers und frische Blutströme.
Schließlich verlor die Bestie das Gleichgewicht und wich ins Leere zurück. Nihal fiel mit ihr. Sie krachten zu Boden, und sofort rappelte die Halbelfe sich auf, nahm wieder Kampfstellung ein, bereit, erneut zum Sprung anzusetzen. Doch etwas hielt sie zurück. Sie hörte, wie ein enormer Brecher gegen die Klippen krachte. Ein Riesenschwall schäumenden Meerwassers drang durch einen der Spalte in das Heiligtum ein, stieg sogleich mit rasender Geschwindigkeit zur oberen Öffnung hin an, um dann tosend wie ein Wasserfall herniederzustürzen. Als sie unten aufschlug, nahm die Wassermasse sofort Gestalt an. Es war eine menschliche Gestalt, die mit einem Dreizack bewaffnet war. Die mittlere Spitze der Waffe funkelte strahlend hell.
»Zähme deinen Zorn«, tönte das Wesen.
Statt einer Antwort stürzte sich Nihal auf den Wächter. »Aus dem Weg!« Der Mann aus Schaum, nun ganz dicht vor Nihals Gesicht, ließ den Dreizack sinken. »Glaube nicht, dass du mich besiegen kannst«, murmelte er. Seine Stimme klang so tief und tönend, dass Nihal erschrak. »Was sucht ihr beide hier, du und dein Freund?« Die Antwort - ihre Mission, der Talisman, alles - war im Moment für die Halbelfe in weite Ferne gerückt: Geblieben war die blinde Wut und die Sorge um Sennar. »Nun?«
Nihal versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Dann sah sie in einer Ecke am Boden etwas funkeln. Es war der Talisman.
»Wir ... wir sind wegen des Edelsteins hier.«
Das Wesen lächelte spöttisch. »Ach, immer diese Machtgier ...« Es lachte ein gemeines Lachen. »Wie könnt ihr bloß so töricht sein?«, rief es mit dumpfer Stimme. »Seit Jahrhunderten schon wache ich über Sarephen, in der Einsamkeit dieser Türme, die die Götter einst als ewige Mahnung hier errichteten. Viele habe ich zum Eingang dieses Heiligtums gelangen sehen: Manch einer war auserwählt, und ich gewährte ihm den Stein. Doch viele andere waren auch unrein und betraten diesen geweihten Boden allein mit dem Ziel, Macht zu erlangen. Ihre Herzen dürsteten danach, andere Wesen zu unterjochen, alles, was sie antrieb, war das ungezügelte Verlangen zu herrschen, zu besitzen, nach eigenem Gutdünken über das Leben anderer zu gebieten. Viele von ihnen starben bereits, bevor sie meiner ansichtig wurden, die übrigen wurden von mir selbst getötet. Und doch fürchteten sie nicht den Tod: In ihrer Herrschsucht, ihrer Machtgier waren sie jeden Preis zu zahlen bereit. So wie dein Freund, der sich, wohl wissend, nicht würdig zu sein, Sarephen zu berühren, bis hierher vorwagte.«
»Darum ging es ihm nicht ... Mit Macht hatte es nichts zu tun.«
Das Wesen musterte sie lange. »Eine Halbelfe«, murmelte es dann.
»Ja«, rief Nihal. »Ja! Eine Halbelfe! Ich darf den Edelstein berühren. Stell dich uns nicht in den Weg, gewähre mir den Stein und erlaube mir, meinen Freund zu retten ...« »Wozu brauchst du den Stein?«
»Um den Tyrannen zu stürzen.«
Der Wächter lächelte spöttisch. »Ach, der Tyrann ... auch so ein von Machtgier verblendeter Homunkulus.«
»Ich habe den Talisman dabei.« Nihal lief zu dem glitzernden Gegenstand am Boden und hob ihn auf, um zu zeigen, dass sie ihn berühren konnte. »Siehst du? Einen Edelstein habe ich bereits.« Sie deutete auf Ael.
Der Wächter betrachtete den Stein. »Wie kann das sein, dass dir Ael überlassen wurde, einem Geschöpf so voller Hass und Wut?«
Nihal wusste nicht, was sie antworten
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