Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht
sollte. Es stimmte ja. Doch ihr Verlangen nach dem Stein schwand mehr und mehr und machte der Sorge um Sennars Schicksal Platz. »Nun, wozu brauchst du den Edelstein? Doch nicht für das, was du vorhin sagtest ...?« »Nein ...«, murmelte Nihal. »Ich möchte nur noch hier hinaus. Ich wünsche mir nichts anderes mehr, als meinen Gefährten in den Arm zu nehmen und zu spüren, dass er noch lebt. Aber ohne den Edelstein kommen wir nicht weiter.«
Mit undurchdringlicher Miene blickte der Wächter Nihal an. Da traf sie plötzlich ein Schlag mit dem Dreizack, und Nihal fiel das Amulett aus den Händen. Auch sie selbst stürzte zu Boden, so als sei ihr Leib mit einem Mal aller Kräfte beraubt. Der Wächter drehte den Dreizack um, richtete ihn auf sich selbst und löste den Edelstein aus der mittleren Spitze. Dieser war von einem dunklen Blau, und die Tiefe des Ozeans schien in ihm eingeschlossen. Er hielt ihn hoch. Zunächst schien er im Schein des Mondes zu funkeln, dann dessen Licht in sich aufzunehmen. Schließlich legte der Wächter ihn vor Nihal auf den Boden.
»Du stehst erst am Anfang deines Abenteuers, dein Herz ist verwirrt und verängstigt. Weniger nachgiebige Wächter als ich hätten dir den Stein nicht überlassen. Aber gib deine Suche nicht auf, niemals, oder die Macht wird niemals dein sein.« Und damit löste sich der Wächter, so wie er gekommen war, in unzählige Ströme Meerwasser auf und floss durch die Spalten in den Arshet-Klippen in den Ozean zurück. Auch das Ungeheuer verschwand, und Nihal blieb allein in der unermesslichen Weite des Heiligtums, in dem nun wieder Stille einkehrte. Hastig stürzte sie sich auf den Stein, hob ihn in die Höhe, und während sie ihn in seine Fassung einpasste, sprach sie die Formel: »Rahhavni sektar aleero.« Ihre Stimme zitterte.
Der Edelstein fügte sich glatt in die Fassung ein. Nihal sprang auf und rannte zu Sennar.
Der Magier lag bäuchlings auf den Stufen, seine Hand auf dem glitschigen Fels war kalt und weiß.
Nihal drehte ihn um und rief seinen Namen, doch er, bleich wie der Tod, antwortete nicht. Immer wieder rief sie ihn, mit immer kreischenderer Stimme. Dann begann sie zu schluchzen. »Du hattest mir doch versprochen, dass dir nichts zustößt ...«, stöhnte sie unter Tränen.
Völlig der Verzweiflung hingegeben, merkte sie zunächst nicht, dass sich Sennars Augen langsam öffneten. Als sie ihm den Blick zuwandte, deutete der Magier ein schwaches Lächeln an.
»Du hast dich ein wenig verspätet«, sagte er mit schwacher Stimme.
6. Eis
Als sie abends beim Essen zusammensaßen, war Nihal ungewöhnlich wortkarg. Sennar konnte sich dieses kühle Verhalten ihm gegenüber zunächst nicht erklären, das in so heftigem Gegensatz stand zu der warmherzigen Sorge um ihn, die sie noch im Heiligtum gezeigt hatte. Aber er brauchte nicht allzu lange, um hinter den Grund für ihre schlechte Laune zu kommen. Er hatte sie belogen, und das wollte sie ihm nicht durchgehen lassen.
Am nächsten Tag wachten sie beim Morgengrauen auf. Der rosafarbene Schein, der gemächlich den Horizont erhellte, versetzte Sennar in gute Laune. Nihal jedoch machte sogleich dem Idyll ein Ende, sie rüttelte Laio wach und hielt alle beide barsch zur Eile an, man müsse wieder aufbrechen.
So setzten sie ihre Reise fort, hielten sich Richtung Süden, ihrem Ziel entgegen, dem Land der Sonne, das sie auf dem Weg über den Inneren Wald erreichen wollten. Sennars Eindruck vom Abend ihres Wiedersehens bestätigte sich in den folgenden Tagen. Nihal zeigte sich kühl und abweisend und richtete kaum das Wort an ihn. Tagsüber flogen sie in ununterbrochenem Schweigen, abends schlugen sie ein Lager auf, um zu essen und zu schlafen, und hockten dann stumm wie Fische da und starrten ins Feuer.
Am vierten Tag endlich beschloss Sennar, etwas zu tun. Diese Spannung war nicht mehr auszuhalten.
Er nutzte die Gelegenheit bei der Wachablösung. Es war tiefste Nacht, und Nihals Wache würde bald enden. Sennar war etwas früher als nötig aufgewacht und hatte sich die passenden Worte zurechtgelegt. Als es dann Zeit war, berührte ihn Nihal nur an der Schulter.
Sennar drehte sich sofort zu ihr um. »Was ist los mit dir?« Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, schalt er sich selbst schon einen Schwachkopf. Hatte er sich dazu das Gehirn zermartert, um dann das Gespräch auf diese idiotische Weise zu beginnen? »Was meinst du?«
Sennar senkte den Blick. »Ich hab's doch nur für dich getan ...« Toll... Noch
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