Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht
mächtiger werdenden Umrisse vor ihm. »Nein«, rief er schließlich, »was ich zu tun habe, ist viel zu wichtig.« Der Mann schüttelte den Kopf. »Ich setze Euch aber ein Stück vor den Klippen ab. Wie Ihr dann weiterkommt, müsst Ihr schon selbst sehen. Das sind keine normalen Felsen, sondern geheiligte Mahnmale der Götter. Kein Ungeweihter darf seinen Fuß darauf setzen. Ich will nichts damit zu tun haben.«
Sie fuhren noch eine Weile, bis der Mann plötzlich in einiger Entfernung von den Felsen die Ruder sinken ließ. Hier, weiter draußen vor der Küste, war das Meer aufgewühlter, und die Wellen brachen sich am Fuß der Arshet-Klippen, um sich dann zu schäumenden Mauern aufzubauen. Der Wind heulte. Es war alles so, wie Nihal es beschrieben hatte.
»Wir sind am Ziel. Steigt aus«, forderte der Fischer Sennar auf.
Der Magier erhob sich und spürte sogleich, wie seine Beine nachgaben. In seinem Kopf drehte sich alles. Er musste sich am Rande des Bootes festhalten, um nicht zusammenzubrechen.
»Alles in Ordnung?«, fragte der Mann.
Sennar nickte. In seiner Tasche spürte er das Gewicht des Talismans und die Hitze, die er ausstrahlte. Er riss sich zusammen und blickte auf das Wasser. Es musste eiskalt sein. »Danke für die Überfahrt«, sagte er, doch der Mann antwortete nicht. Er bedeutete Sennar nur, endlich zu verschwinden, und wandte dem Magier und den finsteren Felsen schnell den Rücken zu.
Sennar sprach eine Zauberformel, und schon zeichnete sich ein leuchtender Steg auf der Wasseroberfläche ab. Zum Glück trennten ihn nur wenige Ellen von der Felswand, und die legte er in aller Eile zurück. Er sah noch, wie der Fischer aus Leibeskräften ruderte, um so schnell wie möglich von dort wegzukommen, und dann stand er allein den beiden Kolossen gegenüber, die abweisender nicht hätten wirken können. Sennar schaute sich um, konnte aber keinen Eingang entdecken. Ob sich das Heiligtum oben auf den Klippen befand?
Ohne Vorwarnung gab sein Laufsteg plötzlich nach, und Sennar stürzte in das eiskalte Wasser. Offenbar war die Kraft des Talismans noch weiter angewachsen, was nur bedeuten konnte, dass der zweite Edelstein tatsächlich in der Nähe war. Der Magier überlegte, dass es wohl besser sei, seine Kräfte für die Auseinandersetzung mit dem Wächter zu schonen, und verzichtete auf weitere Zauber. Er schwamm bis zum Fuß einer der Arshet-Klippen, wo ihn eine Welle erfasste, die ihn beinahe gegen den Fels geschmettert hätte. Mit beiden Armen klammerte er sich fest und verschnaufte. Als er den Blick hob, bemerkte er ein gutes Stück über sich einen Spalt von vielleicht drei Ellen Höhe. Der Eingang zum Heiligtum. Darüber prangte ein Schriftzug, den Sennar jedoch nicht lesen konnte.
So machte er sich nun daran, den glitschigen, scharfkantigen Fels hinaufzuklettern. Es war mühsam, aber schließlich erreichte er sein Ziel. Mit einer letzten Kraftanstrengung zog er sich hoch und hatte den Eingang vor Augen. Nun konnte er auch die bedrohlich große Schrift darüber lesen: »Sarephen«.
Sennar überlegte. Sareph, »Meer«, hatte Nihal gesagt. Er war am Ziel. Als er einen Augenblick vor dem Eingang zögerte und dabei zu Atem zu kommen versuchte, blickte er hinunter und erschauderte.
Zwischen dem Schwarz der spitzen Felsen schimmerte etwas Helles auf. Knochen. Knochen von Schiffbrüchigen oder aber von Leuten, die vor ihm, so wie er jetzt, die Götter herausgefordert hatten. Um seine Angst zu vertreiben, trat Sennar entschlossen ein, und Finsternis umfing ihn.
Die Nacht war düster und eiskalt. Oarf war mit seinen Kräften am Ende. Da tauchten plötzlich aus der Dunkelheit die Umrisse der Arshet-Klippen auf. Unermesslich, abweisend, schwärzer noch als die Nacht. Auf beängstigende Weise erinnerten sie an die Festung des Tyrannen.
»Na endlich!«, rief Nihal. »Wir sind da!«
Halte durch, Sennar, ich flehe dich an, halte durch!
In früheren Tagen hatte Sennar häufig die gigantische Feste des Tyrannen betrachtet und sich vorgestellt, wie sie wohl innen aussehen mochte. Nun, da er sich im Innern dieses Heiligtums befand, stellte er überrascht fest, dass es dem Bild, das er sich von der Behausung des Tyrannen gemacht hatte, verblüffend ähnlich war.
Ganz oben befand sich eine runde Öffnung, so hoch oben, dass sie winzig wirkte, obwohl sie riesengroß sein musste, sie ließ Licht in das Innere fallen und einen Stückchen Himmel und den Mond erkennen. Der untere Teil war rund und breit, und in der
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