Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht
anderen, in einer sehr unzugänglichen Gegend befinden, und wenn Nihal und Sennar sich dort den Edelstein geholt hatten, würden sie sicher den kürzesten Weg über die Grenze in das Land der Nacht einschlagen. Und dort würde er dann zu ihnen stoßen können. Sein Vater, der aus dem Land geflohen war, als er selbst noch ein Kind war, hatte ihm viel davon erzählt, und Laio glaubte fest, sich dort zurechtfinden zu können. Aufgemuntert durch diese Gedanken, hielt er weiter auf die Sershet-Berge zu.
Vier Tage nach seinem Aufbruch führte der Weg nun immer steiler bergauf. Laio erinnerte sich in groben Zügen, wie die Pässe verliefen, Ido hatte ihm vor langer Zeit davon erzählt, während er, Laio, dessen Rüstung poliert hatte. Seine Erinnerungen an die Erzählungen des Gnomen waren jedoch vage und widersprüchlich, und daher beschloss er, es gleich mit dem ersten Pass zu versuchen. Doch das war ein Fehler. Ohne besonders auf der Hut zu sein, trabte er den Pass hinauf, aber kaum oben angekommen, erfasste ihn ein Schneesturm, der ihm die Sicht auf die mächtige Befestigungsmauer nahm, die sich vor ihm aufbaute. Da der Pass selbst aber in gutem Zustand schien, dankte er seinem Schicksal und trieb sein Pferd weiter an. So ritt er dahin, als er plötzlich auf eine Patrouille von Fammin stieß, die die Gebirgshänge kontrollierte.
Als er die Feinde erblickte, suchte er sogleich sein Heil in der Flucht. Doch zu spät. Sein Pferd wurde niedergestreckt, und Laio stürzte zu Boden, kam aber sofort wieder hoch und rannte, so schnell ihn die Beine trugen, mit dem Schwert in der Hand den Berg hinauf. Zum letzten Mal richtig gekämpft hatte er im Haus seines Vaters, als dieser ihn, um doch noch einen Ritter aus ihm zu machen, zu einem Duell gegen einen seiner Soldaten gezwungen hatte. Er versuchte, nicht den letzten Mut zu verlieren, und umklammerte noch fester sein Schwert. Würde er hier sterben, wäre alles sinnlos gewesen.
Am Fuß einer Felswand war seine Flucht zu Ende. Sie zu überwinden, war aussichtslos. Jetzt blieb ihm nur noch eins: Er drehte sich um und warf sich auf seine Verfolger. Einen von ihnen konnte er zwar verwunden, doch im Nu war er überwältigt, er spürte, wie eine Schwertklinge seine Schulter aufriss und ihn gleichzeitig von Kopf bis Fuß ein entsetzlicher Schmerz durchfuhr. Er wurde ohnmächtig und war in der Gewalt seiner Feinde.
12. In der Wüste
Nihal hatte sich häufig gefragt, wie ihre Heimat wohl aussehen mochte, und war überzeugt, dass sie wunderschön sein müsse, voller Wälder und Quellen mit klarem Wasser, wo immer die Sonne schien und der Frühling ewig währte. Im Traum hatte sie manchmal herrliche Landschaften gesehen, Städte, prächtige Paläste. Aber was jetzt vor ihr lag, hätte von diesem Bild, das sie sich gemacht hatte, nicht weiter entfernt sein können.
Zu ihren Füßen erstreckte sich eine endlose Ebene von einem kraftlosen Gelb, aus der sich hier und da seltsam unförmige Ansammlungen von Gebäuden abhoben, die wohl Städte sein wollten, in Wirklichkeit aber bloß deren groteske Karikaturen waren. Verbunden waren sie durch breite, gerade Straßen, die ein die Landschaft zerschneidendes Netz bildeten. An mehreren Stellen stiegen dichte Rauchsäulen auf, die die Luft verpesteten. Nur hier und da standen in dieser Ödnis Baumgruppen, deren Grün aber bleich und leblos wirkte.
Nihal ließ den Blick über diese Landschaft schweifen. Überall nur dieses trostlose, monotone Bild. Im Osten reichte die Wüste bis an diese besiedelte Ebene heran und streckte ihre sandigen Klauen danach aus. Im Westen erkannte sie ein weites grünliches Gebiet mit großen schwarzen Tupfen: Sümpfe.
Dort erblickte Nihal etwas, das ihre Aufmerksamkeit erregte. Eigenartige weiße Gebäude, die sich von diesem kränklich wirkenden Grün abhoben. Sie wusste nicht, wieso, aber sie erinnerten sie an etwas, das sie kannte. Sie schloss die Augen, und das Schwarz hinter den geschlossenen Lidern füllte sich mit Bildern.
Sie sah das Land der Tage, wie es fünfzig Jahre zuvor ausgesehen hatte, als dort das Wüten der Fammin und die Grausamkeit des Tyrannen noch unbekannt waren. Sie sah ein üppiges Land mit weiten Wäldern, unterbrochen von Wiesen und Auen, auf denen Blumen farbenprächtige Mosaike bildeten. Sie sah zahlreiche Städte, hoch, hell, prächtig, mit Zinnen bewehrt. Im Hintergrund, in südlicher Richtung, erkannte sie einen See, in dessen Wasser sich der Himmel so kristallklar spiegelte, als sei
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