Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht
jetzt.« »Erstens waren deine Wunden nicht so tief, und zweitens geht es Laio jetzt noch viel schlechter als dir damals.«
Da packte Nihal Sennar am Wams und schüttelte ihn. »Du gehörst zum Rat der Magier. Du bist einer besten Zauberer unserer Welt. Es muss doch etwas geben, was du noch nicht ausprobiert hast! Du kennst doch Hunderte von Zaubern!«
»Seine Wunde ist nicht zu heilen«, erklärte er langsam mit versteinerter Miene. Nihal versetzte ihm eine Ohrfeige. »Er ist mein Knappe, er hat mir das Leben gerettet! Er ist mein Freund! Ich lasse nicht zu, dass er stirbt!«
Sennar antwortete nicht und wandte den Blick ab.
»Du musst aber etwas tun!«, schrie Nihal ihn an. »Solange er atmet, musst du es versuchen. Du kannst ihn doch nicht einfach sterben lassen!«
»Ich möchte ja nichts sehnlicher, als ihm helfen, doch egal, wie viele Zauberformeln ich spreche, sein Leben verrinnt unter meinen Händen. Es ist so, als wolle man einen reißenden Fluss mit bloßer Hand eindämmen.«
Nihal brach in Tränen aus. »Nein ich will nicht ...«, stöhnte sie mit einer Stimme, die nicht mehr die ihre war.
Neue Hoffnung keimte am Morgen des dritten Tages auf. Kaum war Nihal erwacht, erblickte sie zwei kleine glitzernde Punkte im Dunkel der Erdhöhle. In der Befürchtung, irgendein Feind könnte sie entdeckt haben, griff sie zum Schwert, doch rasch erkannte sie, dass es zwei Augen waren, die das schwache Licht, das durch den Höhleneingang drang, zurückwarfen.
»Laio!«, rief sie. Sie warf sich über ihn und streichelte seinen Kopf. Ein mattes Lächeln stahl sich auf die Lippen des Jungen.
»Nihal ...«
Auch Sennar erwachte, und als er Laio bei Bewusstsein sah, glaubte auch er wieder, dass nicht alles verloren sei. Einige Augenblicke fühlten sich alle drei getröstet durch diese neue Hoffnung.
Laio war sehr schwach und konnte kaum sprechen. Immer wieder überkamen ihn Hustenanfälle, die ihm den Atem nahmen. Als Erstes fragte er nach Vrasta. Nihal wusste nicht, was sie antworten sollte. Auch Sennar blickte sie fragend an, und so erzählte sie, sie habe ihn losgeschickt, um die Umgebung nach weiteren Feinden abzusuchen, und er werde sicher bald zurückkommen. Laio schien es zu glauben, Sennar aber musterte sie misstrauisch, verzichtete jedoch zu Nihals Glück darauf, weitere Fragen zu stellen.
Überzeugt, dass nun das Schlimmste überstanden sei und Laio genesen würde, machten sich Sennar und Nihal wieder daran, verschiedene Heilformeln zu sprechen. Doch auf die Wunde hatte das keinen Einfluss, sie schien sich jetzt sogar noch entzündet zu haben.
»Erinnerst du dich noch, mit welchen Heilkräutern du Nihal damals bei Megisto behandelt hast?«, fragte der Magier Laio.
Der Knappe murmelte ein paar Namen und schloss dann die Augen, wie um neue Kraft zu schöpfen.
»Sieh mal, ob du etwas davon finden kannst, und bring so viel wie möglich, und auch Wasser. Aber pass auf, vielleicht sind tatsächlich noch Feinde in der Nähe«, forderte der Magier Nihal auf.
Die Halbelfe nickte und schlich sich aus der Erdhöhle.
Sennar machte sich wieder ans Werk und merkte dabei, dass Laio ihm nachdenklich zuschaute.
»Wie steht's um mich?«, fragte er irgendwann.
Diese Frage hatte der Magier befürchtet. Und er schwieg.
Einige Augenblicke Stille, dann wieder Laios schwache Stimme: »In dem Kerker bei den Fammin wurde ich ja auch gefoltert und verwundet. Aber das nun ist anders ...« Er machte eine Pause, um zu Atem zu kommen. »Ich fühle mich, als hätte ich gar keinen Körper mehr, nicht mal die Wunde schmerzt ... Es ist, als schliefe jetzt alles ein.« Sennar schwieg weiter.
»Sag mir, wie es um mich steht«, ließ Laio, um eine lautere Stimme bemüht, nicht locker. »Ich will die Wahrheit wissen.«
Sennar blickte nur auf seine Hände, die er weiter über Laios Rücken hielt. »Die Wunde ist sehr lang und sehr tief, und ich weiß nicht mehr, wie ich sie behandeln soll. Sie hat sich schon entzündet, und mir sind die Zauberformeln ausgegangen.« Laio schwieg einige Augenblicke. Sein Gesicht war nun noch ernster als zuvor. »Komm ich durch?«, fragte er schließlich.
»Ich weiß es nicht, aber ich denke schon«, antwortete Sennar mit einem gezwungenen Lächeln.
»Wenn ich im Sterben liege, musst du mir das sagen«, murmelte Laio. Sennar dachte an den Kampf auf der Lichtung, an die Selbstsicherheit in den Augen des Knappen, und dass er mit einem Mal einen Mann in ihm gesehen hatte. »Ich kann nichts mehr für dich
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