Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht
beide Arme. Laio legte den Kopf an ihre Schulter.
»Es tut nicht weh ... Jetzt geht's mir gut«, raunte er. Sein Atem war jetzt ruhig und regelmäßig.
Lange hielt ihn Nihal so an sich gedrückt, bis sie spürte, dass sein Körper leblos in ihren Armen lag.
20. Ein Grund weiterzumachen
Gern hätte Nihal Laio die letzte Ehre erwiesen, die einem Ritter zustand, und seinen Leichnam auf einem Scheiterhaufen verbrannt. Wie damals bei Fen. Doch im Land der Nacht mit seiner ewigen Finsternis konnte man noch nicht einmal ein Feuerchen anzünden, ohne sogleich entdeckt zu werden, geschweige denn einen Scheiterhaufen. So würde sie ihren toten Knappen nur in einem einfachen Grab, das ihn vor seinen Feinden schützte, beisetzen können, in der Erde seines Heimatlandes, das er nur einmal kurz hatte sehen können.
Sie warteten einen Tag, bis sie ihr Versteck verließen, zum einen, weil ihnen der Schmerz Kraft und Lust genommen hatte, sich sogleich wieder auf den Weg zu machen, zum anderen, weil mehrmals die Erde über ihnen von Schritten gebebt hatte. Wahrscheinlich Fammin. Man war ihnen auf der Spur und jagte sie.
Am nächsten Tag richtete Nihal Laios Leichnam her. Sie gab ihm das Schwert in die Hände, mit dem er noch wenige Tage zuvor wie ein Held gekämpft hatte, und schnitt sich dann ein Haarbüschel ab, das sie ihm auf die Brust legte, damit ein Teil von ihr bei ihm blieb.
Als sie dann vorsichtig den Bau verließen, war alles still um sie herum. Offenbar waren die Jäger anderswo unterwegs. Mit bloßen Händen begann Nihal, die Erde vor dem Eingang auszuheben, riss sich die Finger auf, brach sich Fingernägel ab, grub aber immer weiter, bis so viel Erde und Steine aufgehäuft waren, dass der Eingang ganz verborgen und Laios Grab für immer verschlossen war.
»Komm, es reicht«, sagte Sennar irgendwann, während er ihr eine Hand auf die Schulter legte, und kniete dann mit gefasster Miene vor dem Erdhaufen nieder. »Ich habe die ganze Zeit darüber nachgedacht, während wir in der Höhle bei ihm wachten ... Wenn ich nichts unternehme, wird auch er zum Gespenst werden.« Er schlug die Augen nieder. »Ihm mit einem Zauber das Leben retten, konnte ich nicht, aber vielleicht kenne ich die richtige Formel, um seinem Geist Frieden zu schenken. Vor einiger Zeit las ich von einem verbotenen Zauber, mit dem sich die Seele Verstorbener mit einem Siegel belegen lässt. Ich habe mit Flogisto darüber gesprochen, aber er riet mir, sie rasch wieder zu vergessen, weil sie eine Frucht des Bösen sei. Aber ich kann doch nicht zulassen, dass sich Laio in das Gespensterheer des Tyrannen einreiht. Nein, ich muss versuchen, seinen Geist zu versiegeln.«
Er blickte zu Nihal auf, suchte nach einem Zeichen der Zustimmung, doch ihr Miene war wie versteinert. »Es wird eine Zeit lang dauern, und danach werde ich eine Weile über keine Zauberkräfte mehr verfügen. Du musst nichts weiter tun als aufpassen, dass niemand kommt.«
Nihal nickte. Sennar wandte sich der Grabstätte zu und versuchte, sich die Formel in Erinnerung zu rufen, die er bloß ein Mal gelesen hatte. Obwohl er gerade erst auf der Lichtung einen verbotenen Zauber eingesetzt hatte, war er bereit, dieses Vergehen zu wiederholen, um Laios Geist zu retten.
Als er die Formel zu sprechen begann, ein Singsang, der einem das Blut in den Adern gefrieren ließ, senkte Nihal den Kopf und hielt sich die Ohren zu. Die Seele voller Hass und Verzweiflung, sprach Sennar unermüdlich die Worte, und diese Gefühle bewirkten, dass sich die Formel seinem Willen beugte und sich unter seinen Händen nach und nach eine Barriere aufbaute. Sie würde das Grab verschließen und erst dann wieder auflösen, wenn der Tyrann vernichtet war, wodurch auch Laios Geist wieder frei würde. Eine Stunde dauerte es, dann spürte der Magier, dass er all seine magischen Kräfte verloren hatte und mit ihnen auch die Hoffnung, die ihn bis dahin getragen hatte. Mit einem Mal fühlte er sich ziellos und verloren, seine Hände wurden kalt, und der Zauber verließ ihn. Laio war gerettet.
»Ich bin fertig«, erklärte er niedergeschlagen.
Nihal antwortete nicht.
Eine Weile verharrten sie noch vor dem Grab. Es war Sennar, der sich als Erster aus seiner Erstarrung löste. »Was so unschuldig ist und rein, kann sich wohl nicht behaupten auf dieser Welt«, murmelte er und wusste dabei nicht genau, ob er zu sich selbst, zu Nihal oder zu dem Freund sprach, den sie jetzt verlassen würden. »Vielleicht warst du der Einzige,
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