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Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht

Titel: Die Drachenkämpferin 03 - Der Talisman der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Licia Troisi
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dies ein Heiligtum?«, fragte sie schließlich.
    »Ja, dies ist Goriar, das Heiligtum der Finsternis: der Finsternis des Vergessens, der Finsternis des großen Trostes, der Finsternis des Todes, der jeden Schmerz hinwegnimmt, der Finsternis des traumlosen Schlafes, in dem die Seele zur Ruhe kommt«, antwortete die Stimme.
    »Dann brauche ich dich, denn mein Herz lechzt nach dem Nichts«, sagte Nihal. »Wie heißt du?«
    »Sheireen«, antwortete sie mit dem Namen, den sie hasste. »Schenk mir Vergessen, denn ich bin eine Mörderin.«
    Nihal hatte das Gefühl, jemand habe vor ihr Platz genommen. Der Arm wanderte von ihrer Schulter zum Gesicht, und eine warme, beruhigende Hand berührte ihre Wange. »Ich kenne dich«, sagte die Stimme. Nihal nahm das Amulett zur Hand, das jetzt in der Dunkelheit funkelte. »Du führst meine Schwester Glael mit dir, die du der Einsamkeit entrissest.«
    »Du bist Glaels Bruder?«, fragte das Mädchen.
    »Licht und Schatten gehören zusammen, Sheireen. Sie ist die andere Hälfte meiner selbst. Sie weist mich zurück und bestärkt mich gleichzeitig. Kein Licht kann hell erstrahlen ohne Schatten, aber auch kein Schatten könnte klar sich abzeichnen ohne Licht.«
    Nihal senkte den Blick. »Ich bin hier wegen des Edelsteins und müsste dich jetzt anflehen, ihn mir zu überlassen. Doch nun weiß ich nicht mehr, was ich tun soll. Meine Hände triefen vom Blut Unschuldiger. Ich bin nicht mehr würdig, das Amulett zu tragen.«
    Ihr war, als schließe die Finsternis sie noch enger ein.
    »Ich fühle, dass dein Herz voller Schmerz ist und deine Worte aufrichtig sind. Unzähligen hat dein Schwert den Tod gebracht, darunter auch Unschuldigen. Dennoch ist deine Seele im tiefsten Innern rein geblieben.«
    »Ich wollte Vrasta nicht töten!«, schrie Nihal. »Er war ein Gefährte, fast schon ein Freund, Laio hat er das Leben gerettet. Ich wollte es nicht tun!«
    »Das weiß ich.«
    »Ich wollte keine Unschuldigen töten, auch die Fammin im Wald wollte ich nicht töten!« Erneut rannen ihr die Tränen über die Wangen. »Ich bitte dich: Schenk mir Vergessen! Schenk es mir!«
    Plötzlich schwand das Gefühl, gehalten zu werden, das sie bis dahin verspürt hatte, und sie kam sich allein und verlassen vor.
    »Das hat dir Thoolan bereits angeboten, doch du lehntest ab«, sagte die Stimme. »Aber jetzt möchte ich das Bewusstsein meiner selbst verlieren, und das kannst du mir schenken«, erwiderte Nihal.
    »Das ist es aber nicht, was du brauchst«, erklärte Goriar.
    »Ich möchte mich nicht mehr so besudelt fühlen, so grausam, so schuldig!« Die Hand umfasste ihr Kinn und zwang sie, den Kopf zu heben. Nihal spürte einen warmen Atem im Gesicht. Als Goriar wieder zu sprechen anhob, war seine Stimme sehr, sehr nahe. »Der Schmerz, den du jetzt fühlst, die Gewissensqualen, sind unverzichtbar. Du musst sie aushalten. Als du von Thoolan scheiden wolltest, sagte sie dir, dass großes Leid auf dich warte, aber du ließest dich nicht aufhalten. Das, was du jetzt spürst, ist noch gar nichts. Viel mehr noch wird geschehen, und es wird dir das Herz zerreißen, und das schon bald. Aber durch diesen Schmerz wirst du lernen, was Leben heißt.«
    »Früher glaubte ich, es sei gut, möglichst viele Fammin zu erschlagen. Das war falsch. Doch nun ist es zu spät«, stöhnte Nihal.
    »Da hast du Recht, doch aus den Trümmern dieser Erkenntnis kannst du neue Einsichten gewinnen. Du hast verstanden, dass das Böse alles durchdringt, dass es eine Kraft ist, die nicht erst durch den Tyrannen in die Welt gebracht wurde, sondern seit jeher besteht.«
    »Was soll ich nun tun?«, fragte Nihal.
    »Das kann ich dir nicht sagen. Es ist dein Weg.«
    »Ach, ich bin auch nicht besser als die Mörder meines Vaters ...«
    »Was bringt es dir, dich in deinem Schmerz zu suhlen? Du musst einen Weg finden, der dich hinausführt, hinaus aus dieser Dunkelheit, ans Licht.«
    Nihal wurde langsam ruhiger. »Mein ganzes Leben schon weiß ich nicht genau, wohin ich gehen soll ...«, murmelte sie.
    »Dies ist das Wesen der Suche, die du dir vorgenommen hast. Nur wer sich verloren fühlt, wird den rechten Weg suchen.«
    »Und nun?«
    »Nun musst du nachdenken, über dich, über die Welt und über deine Mission. Ich kann dir nur versichern, dass deine Seele nicht verloren ist. Daher weiß ich, dass ich dir meinen Edelstein überlassen kann.«
    Nihal trocknete sich Augen und Wangen. Da sah sie plötzlich, wie sich die undeutliche Gestalt eines Mannes vor

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