Die Drachenkrone ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
Wangen. Galorond nickte wissend.
»Ich habe mich nicht geirrt. Die Illusion diente nur dazu, Euch Eure Selbstzweifel zu nehmen und Euch aus dem Sog Eurer befreiten Gefühle zu retten. Jetzt seid Ihr wirklich geheilt.«
12
Lamina
D ie frische Luft tat gut. Lamina stand an der Reling und blickte sehnsüchtig zu dem weit gespannten Sternenhimmel empor. Die Sternbilder waren die gleichen wie über Burg Theron, derselbe Mond schien auf die grauen Zinnen, dennoch war sie schon eine Woche durch die schäumenden Wogen unterwegs, und jede Stunde entführte sie weiter weg von ihrem Heim, von ihrem Leben. Mit jedem Wellenschlag schien auch ihre Hoffnung, jemand würde sie finden und retten, Stück für Stück zu verrinnen. Sie dachte an ihre Mutter. Tränen traten in ihre Augen. Der qualvolle Todesschrei hallte ihr noch immer in den Ohren. Wo war ihr Vater gewesen, als seine Gattin um ihr Leben rang, dachte sie zornig. Was hatte er getan, als die Männer seine Tochter auf das Schiff verschleppten?
Lamina spürte den Blick des Magiers auf sich ruhen. Ein eisiger Schauder rann ihr über den Rücken und ließ ihre Nackenhaare sich sträuben. Sie fürchtete sich vor diesen kalten, abschätzenden Augen, die ihr überallhin folgten. Bisher hielt die Mannschaft respektvoll Abstand, und auch der Magier hatte sich ihr nicht ungebührlich genähert, und doch fühlte sie die gierigen Blicke und wusste, dass diese Tage auf See nur einen kleinen Aufschub bedeuteten, bis das Schicksal seine Fänge um sie schloss. Dies war keine zufällige Entführung, weil sich die Gelegenheit ergeben hatte. Diese Tat war geplant und mit Bedacht durchgeführtworden, aber warum? Diese Frage quälte sie Tag und Nacht, doch noch war niemand bereit, ihr darauf eine Antwort zu geben, und Lamina wagte nicht zu fragen.
Refos sah zu der jungen Frau hinüber, aber er näherte sich ihr nicht. Zweimal am Tag durfte die Gräfin kurz an Deck, die übrige Zeit schloss er sie in die kleine Kabine neben der seinen ein. Durch ein Loch in der Wand konnte er sie beobachten, wann immer er wollte. Der Magier achtete streng darauf, dass keiner der Männer sich ihr näherte, er selbst verwahrte den Schlüssel und brachte ihr das Essen. Er traute weder dem Kapitän noch seiner Mannschaft über den Weg und achtete daher peinlich darauf, dass seine Fracht unversehrt ihr Ziel erreichte, um dort dem Narbigen übergeben zu werden. Was der dann mit ihr anfing, war seine Sache.
Nachdenklich betrachtete Refos die Frauengestalt, die sich scherenschnittgleich vor dem sternenbesetzten Himmel abhob. Was für ein Prachtweib! Er spürte das Blut in seinen Lenden pochen, und für einen Augenblick gab er sich dem süßen Gedanken hin, sie später in ihrer Kabine zu besuchen. Das Bild verwehte im Fahrtwind. Daran war nicht zu denken. Der Narbige würde davon erfahren, und dann, fürchtete Refos, würden ihn nicht einmal seine magischen Kräfte vor dem Zorn des Piratenanführers schützen können.
Der Kapitän trat durch eine schmale Tür auf Deck und begann seine übliche Runde zu drehen, bevor er sich für ein paar Stunden in seine Koje legte. Ein starker Südostwind blähte die Segel, so dass der Zweimaster durch die schäumenden Wellen schoss. Sie kamen gut voran. Der Himmel war klar, ein heller gelber und der schmale rote Mond leuchteten, so dass sie in sicherem Abstand zur Küste die ganze Nacht weitersegeln konnten. Endlich ging es wieder vorwärts, denn die vergangenen beiden Tage hatten sie mühsam gegen den Wind segeln müssen. Heute Nacht würden nur wenige Männer gebraucht. Die anderen konnten in ihren Kojen Kräfte sammeln. Kapitän Karkoloh kletterte die schmale Stiege hinauf und trat hinter den Steuermann, der, eine Pfeife schmauchend, breitbeinig dastand, beide Hände um das große Steuerrad gelegt.
»Zwei Tage noch, wenn der Wind anhält«, brummte er. Der Kapitän nickte. Zwei Tage noch, dann endlich würden sie Fansei erreichen und der Magier mit der Frau von Bord gehen. Er sah zu der Gräfin hinunter, die nun ihren Rock raffte und auf die Tür zuschritt, die Refos ihr aufhielt.
»Frauen an Bord bringen nur Ärger«, knurrte der Steuermann, der die Gestalt ebenfalls beobachtet hatte.
Der Kapitän nickte erneut. Die Veränderung, die mit seinen Männern vor sich ging, seit die Gräfin an Bord war, war ihm nicht entgangen. Sie wurden unruhig, starrten sie an und erzählten mehr schlüpfrige Geschichten als sonst. So mancher ließ sich dazu hinreißen, seine Arbeit zu
Weitere Kostenlose Bücher