Die Drachenkrone ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
herantrieb, und ließ jedes Fleckchen Segel setzen, um wieder aufs offene Meer hinauszugelangen. Später hockte ich mit Kevin, dem Smutje, in den Taurollen. Er liebte es, spannende und schaurige Geschichten zu erzählen, und so berichtete er auch von Fansei.«
Cay goss seinen Becher noch einmal voll, nippte an dem heißen Gebräu und versuchte dann, so gut es ging, die Geschichte des Smutjes zu wiederholen:
»Fansei ist nicht nur eine Inselgruppe mit gefährlichen Untiefen und unberechenbaren Strömungen, Fansei ist seit alter Zeit verflucht. Einst gab es hier eine blühende Stadt mit reich geschmückten Palästen. Ein roter Leuchtturm wies den Schiffen ihren Weg. Der Handel gedieh undbrachte Reichtum in die Stadt. Doch die Menschen waren schlecht und zollten dem Meeresgott keinen Respekt. Eine ganze Weile ließ er sich das gefallen und versuchte sie wieder auf den rechten Weg zu bringen, aber sie verlachten ihn nur. Sie hatten die alten Götter vergessen und huldigten nur noch dem Gott des Goldes und des Geschmeides. In seinem Zorn wühlte er das Meer auf, schwarze Wolken ballten sich am Horizont zusammen, ein Sturm brach los, wie ihn die Menschheit noch nicht erlebt hatte. Der Gott des Meeres riss die Stadt aus ihrem Felsen und schleuderte sie in den tiefen Grund hinab, doch noch immer war er nicht besänftigt. Er griff nach den Menschen, nahm sich ihre Seelen und verdammte sie dazu, auf ewig ruhelos um die Klippen von Fansei zu wandeln. In klaren Nächten kann man noch heute den Lichtschein der Verfluchten auf dem Meeresgrund sehen. Mit Geisterschiffen segeln sie in Sturmnächten hinaus und ziehen die ahnungslosen Seeleute der Handelsschiffe mit sich herab. Viele Schiffe sind vor Fansei schon spurlos verschwunden. Der schöne Leuchtturm ist heute nur noch ein felsiger Finger, der mahnend in die Nacht ragt, doch wenn Unheil bevorsteht, dann kann man noch heute sein Licht über das Wasser huschen sehen.«
Cay schwieg, und auch die anderen mussten erst einmal über seine Geschichte nachdenken.
»In den meisten Sagen steckt ein Körnchen Wahrheit«, sagte Rolana nachdenklich. »So eine Geschichte wäre eine gute Tarnung für ein Piratennest, und sie hielte unliebsamen Besuch fern.«
»Ja, und wenn sie in der Nähe ein Handelsschiff aufbringen, dann untermauert das noch diese Geistergeschichte«,fügte Thunin hinzu. »Doch wie sollen wir dorthin kommen, wenn sich kein Schiff in die Nähe traut?«, fügte er mit grimmiger Miene hinzu.
»Wir könnten es von der Landseite aus versuchen«, schlug Cay vor. »Immerhin steht der Leuchtturm auf einer Landzunge, die mit dem Festland verbunden ist.«
Ibis nagte an ihrer Unterlippe. »Gut, wenn die mit ihrem Schiff lange segeln müssen, können wir mit unseren Pferden vielleicht ein wenig Zeit aufholen.«
»Meint ihr, wir vier können etwas gegen eine ganze Piratenmannschaft ausrichten?«, fragte Rolana zweifelnd. »Natürlich bin ich dafür, der Gräfin zu Hilfe zu eilen«, fügte sie rasch hinzu, als sie die Empörung in den Gesichtern ihrer Freunde bemerkte, »doch vielleicht wäre es sinnvoll, wenn wir nach ein wenig Unterstützung Ausschau hielten.«
Thunin machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wenn du an diese Lumpen von Stadtwachen oder das sonstige Gesindel denkst, das man sich für Geld anheuern kann, vergiss es! Meist sind sie feige und nur darauf aus, das Geld einzustecken. Außerdem hat Mojewsky alles verloren, wer sollte die denn bezahlen?«
Rolana schüttelte den Kopf. »Ich dachte nicht an bezahlte Kämpfer. Wie wäre es, wenn wir einen Umweg über den Nebelwald machten? Vielleicht finden wir dort Unterstützung?«
Den Nachmittag verbrachten sie damit, ihre Ausrüstung, die sie für dieses gefährliche Abenteuer benötigten, zu ergänzen. Ohne Bedauern zog Ibis einige Schmuckstücke, die auf zweifelhafte Weise in ihren Besitz gelangt waren, aus der Tasche, um sie bei einem Goldschmied in Münzenzu tauschen. Sie erstanden nicht nur neue Rucksäcke für Rolana und Cay, samt einigen Kleidungsstücken, zwei warmen Decken und Proviant für die lange Reise, in einem Stall entdeckten sie auch einen kräftigen dunkelbraunen Hengst, der einen viel versprechenden Eindruck machte. Der Besitzer, ein gedrungener Zwerg aus dem Roten Gebirge im Südwesten, versprach, er sei ein ausdauernder Renner. Thunin handelte lange mit ihm, doch dann führte Cay den Braunen stolz am Zügel zum Grünen Drachen hinüber. Seinen schon etwas müden Schecken wollten sie als Packpferd
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