Die Drachenkrone ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
Spitzohr!«
Thunin zankte so oft mit der Elbe, dass keiner der Gefährten die Streitereien mehr ernst nahm. Vlaros legte dem stämmigen Zwerg, der ihm kaum bis zur Brust reichte, beschwichtigend die Hand auf die Schulter.
»Nimm ihre Sticheleien doch nicht so ernst. Sie ist noch ein halbes Kind und hat, soweit ich es weiß, keine gute Erziehung genossen.«
Thunin schnaubte nur durch die Nase. »Du hast ja Recht«, seufzte er und pickte sich ein paar alte Krümel aus seinem Bart, der ihm in einer braunen Krause bis auf die Brust hing. Das lange Haupthaar, in dem sich die ersten Silberfäden zeigten, hatte er sich zu zwei Zöpfen geflochten. Das dunkelbraune Haar des jungen Magiers dagegen war sauber gestutzt, Kinn und Wangen frisch rasiert. Vlaros trat einen Schritt zur Seite. Er fürchtete, der Zwerg könne sein weißes Gewand beschmutzen. Das ungepflegteHaardickicht war ihm ein wenig unheimlich, denn es sah aus, als würde sich das Ungeziefer förmlich darum reißen, darin seine Wohnstatt einzurichten. Wie um diese Vermutung zu bestätigen, kratzte sich Thunin ausgiebig am Kinn.
Mit etwas Abstand folgten ihnen Rolana und Cay. Rolana war eine junge, schlanke Frau von vierundzwanzig Jahren, mit üppigen schwarzen Locken und lebhaften, dunkelbraunen Augen. Die lange Reise hatte ihre vornehme Blässe in eine gesunde Sonnenbräune verwandelt. Zum ersten Mal seit vielen Jahren hatte sie die Klostermauern hinter sich gelassen, die seit ihrer Jugend ihre Heimat waren. Rolana hatte ihr Leben dem Mondgott Soma gewidmet und lebte mit seinen Priesterinnen im Kloster über dem Adasee, doch Solano, der heilige alte Mann hatte gemeint, nun sei es für sie an der Zeit, draußen in der Natur ihrem Gott und den Menschen zu dienen, und so hatte sie zwei ältere Mönche auf ihrer Reise vom Adasee nach Fenon begleitet. Auf ihrem Weg durch grüne Täler und über weite, ausgedehnte Steppen hatte sie viel Muße, die anderen Reisenden der Gruppe kennen zu lernen: die beiden Brüder ihres Ordens, den betagten Magier, der mit seinem Schüler Vlaros nach Fenon wollte, die vorlaute Elbe, die auch nach dem anstrengendsten Ritt durch eisigen Regen noch eine freche Bemerkung auf der Zunge hatte, und den brummigen Zwerg, der die Spuren des Weges zu lesen verstand und dem sie als Führer der Gruppe bald ihr Vertrauen geschenkt hatte. Ja, und dann war da noch Cay, ein junger Schwertkämpfer, kaum ein Jahr älter als sie, der sich zum Schutz der Reisenden hatte anheuern lassen.
Rolanas Blick schweifte über den hochgewachsenen,breitschultrigen Mann an ihrer Seite, dessen gut trainierte Muskeln man unter seinem braunen Lederhemd erahnen konnte. Sein widerspenstiges Haar war von unscheinbar graubrauner Farbe, und da es sich offensichtlich dagegen sträubte, zu einer Frisur gebürstet zu werden, trug er es kurz geschnitten, so dass es ihm wild nach allen Seiten vom Kopf abstand. Cay hatte ein sanftes, offenes Lächeln und strahlend blaue Augen, mit denen er vertrauensvoll die Welt betrachtete. In diesem Moment jedoch sah er eher verwirrt drein, als er versuchte, Rolanas Ausführungen über Priester und die Magie zu folgen. Vom Feuer der Begeisterung getragen und heftig gestikulierend, sprach sie auf den jungen Mann ein.
»Es ist überaus wichtig, dass sich die Priester unseres Ordens mit den Akademien der Magie austauschen. Denke nur an die Krankenheilung. Jeder verfolgt seinen eigenen Weg, das Ziel jedoch ist das gleiche. Wie viel wirksamer kann man vorgehen, wenn man die göttlichen Kräfte mit den magischen vereint, Cay – Cay? Hörst du mir überhaupt zu?«
Mit träumerischem Blick ging der Kämpfer neben ihr her. Er sah ihr Haar sich im Wind wiegen, hörte ihre warme Stimme, die begeistert von Soma und der Magie sprach, doch wie konnte er sich auf solch komplizierte Themen konzentrieren, wenn diese wundervolle Frau mit der fast zerbrechlich wirkenden schmalen Taille neben ihm herging?
»Cay?«
Er errötete. »Ja, also den Schluss habe ich nicht mehr so ganz mitbekommen, aber du hast sicher Recht, undich …« Unter ihrem vorwurfsvollen Blick brach er verlegen ab.
Schweigend gingen sie weiter. Cays schon etwas angerostetes Schwert klirrte bei jedem Schritt leise. Sanft fuhr er mit der Hand über den glatten kühlen Griff. Ein beruhigendes Gefühl ging von dem kalten Stahl aus. Er seufzte leise. Mit dem Schwert in der Hand zwischen einem Haufen Strauchdieben fühlte er sich sicherer als bei einem Gespräch mit Rolana. Doch hier in der
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