Die Drachenkrone ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
verflogen. Der große Drache brauchte sie, und sie gehorchte seinem Befehl. Je näher sie der Drachenhöhle kamen, desto mehr fielen die Freunde zurück, denn während die Priesterin Peraminas Schutzaura mühelos durchdringen konnte, mussten die Gefährten hart gegen das Verlangen ankämpfen, in wilder Panik die Flucht vor diesem mächtigen magischen Wesen zu ergreifen. Schritt für Schritt folgten sie Rolana nach. Als sie um die letzte Biegung kamen, stockte ihnen der Atem. Da lag er, riesig und glänzend, den Kopf ein wenig gehoben, den Blick aus seinen gelben Augen auf die junge Frau vor sich gerichtet. Die Schätze, auf denen die Echse ruhte, funkelten und schimmerten. Reglos standen die Gefährten da, zerrissen zwischen der Angst in ihren Herzen, die ihnen befahl wegzulaufen, und dem Wunsch, immer nur diese herrliche Kreatur anzusehen.
Ein seltsames Glitzern in den Augen, näherte sich Rolana dem Drachen bis auf wenige Schritte und sah furchtlos zu ihm auf.
Peramina, mächtiger Kupferdrache, Herrscherin der Silberberge, du hast mich gerufen, ich bin dein.
Sie fragte sich nicht, woher sie seinen Namen kannte, und auch nicht, woher sie wusste, dass er ihre Gedanken verstehen konnte.
Rolana, Tochter des Mondes, öffne deinen Geist. Ich werde dich durch die Zeiten führen, dann wirst du verstehen, hallten die Worte des Drachen in ihrem Kopf wider. Die junge Priesterin breitete die Arme aus und sank auf dieKnie. Sie war bereit, die Last der Jahrhunderte zu tragen. Peramina nahm sie mit auf eine Reise in die Zukunft und in die Vergangenheit. Ihre Gedanken verschmolzen. Eine Flut von Bildern stürmte auf Rolana ein. Sie sah die Zauberin, die sie gefangen genommen hatte. Sie lächelte und hielt triumphierend eine kleine Drachenfigur ins Licht. Dann sah sie die Frau in einem düsteren Kerker. Ein Stilett in der Hand verborgen, näherte sie sich einem alten Mann, der schlafend an einem Tisch zusammengesunken war. Das Bild wurde neblig, und als es sich wieder aufklarte, erkannte Rolana den Burghof von Theron. Das Gesicht nass von Tränen, umarmte Gräfin Lamina einen Mann, der kaum Ähnlichkeit mit der in den Verliesen dem Verfall preisgegebenen Leiche hatte, und dennoch wusste Rolana, dass es Graf Gerald war. Er trug Reithosen und einen warmen Reisemantel, hinter dem Sattel seines Pferdes waren einige Bündel verschnürt. Er küsste Lamina und herzte dann einen Knaben. Als die Sonne hinter den Wolken hervortrat, verfingen sich ihre Strahlen in einem Amulett, das er um den Hals trug. Eine Szene folgte der anderen, und bald war Rolanas Geist erfüllt von den wirbelnden Bildern. Plötzlich hatte sie das Gefühl, weit in die Vergangenheit gerissen zu werden – oder war es die Zukunft? Sie sah zwei knochige weiße Hände, die sechs verschiedenfarbige Drachen zu einem Reif zusammenfügten. Ein triumphierendes Lachen hallte in ihr wider. Sie sah einen hageren Mann auf einem Felsvorsprung stehen, die Krone aus farbigen Drachen auf seinem Haupt. Rolana kam es vor, als stehe sie direkt neben ihm und folge nun seinem Blick. Sie sah die steil abfallende Felswand zu ihren Füßen und dann ein wüstes Tal, eingerahmt von zwei rauchenden Kratern. Rolana spürte, wie der Mann neben ihr die Luft einsog und sie dann voller Spannung anhielt. Plötzlich konnte auch sie es sehen. Winzige Punkte am Himmel, die sich rasch näherten und dann die Gestalt von Drachen annahmen. Schwarze und rote Drachen, blaue und silberne, kupferne und sogar ein goldener Drache. Rolana hörte die magisch verstärkte Stimme des Mannes durch das Tal hallen. Er befahl den Drachen zu töten, Leid und Zerstörung über die Länder zu bringen, bis auch die letzte Kreatur bereit war, sich ihm zu unterwerfen. Die Drachen flogen davon, und die junge Priesterin zweifelte nicht daran, dass sie seine Befehle ausführen würden. Die Bilder verflossen. Als sie sich wieder aufklarten, sah Rolana, dass Krieg herrschte. Felder waren verheert, Dörfer nur noch rauchende Trümmer, zerlumpte Gestalten suchten in den Wäldern Schutz. Doch was war das? Die Drachen wandten sich gegen ihren Meister und suchten in ihrem Grimm, den Magier zu vernichten. Selbst die Götter waren erzürnt. Mächtige Wolken türmten sich am Himmel auf, heftige Gewitter entluden sich, Sturzfluten rauschten vom Himmel. Eine riesige Flutwelle rollte auf die Küste zu und riss ganze Städte mit hinab in die Tiefe. Die Erde bebte.
Fantasie und Realität verschmolzen miteinander. Tief unter der Drachenhöhle
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