Die Drachenkrone ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
Aufenthaltsort zu erfahren, doch sie gaben stets die gleiche Antwort: Der Meister ist auf Reisen. Und keiner konnte sagen, wann er wieder zurückkehren wollte.
Eigentlich war seine lange Abwesenheit eine willkommene Gelegenheit, ein wenig in seinen Geheimnissen herumzuschnüffeln, andererseits wollte sie ihm von den Gefangenen erzählen und von ihm wissen, was sie mit ihnen tun sollte. Und nun saß sie hier seit Tagen fest, weil er sich nicht blicken ließ, denn von dieser Seite konnte sie das Tor zur Astralebene nicht öffnen.
Mykina seufzte. Sicher waren die Gefangenen inzwischen verdurstet. Der Gedanke, Astorin könne auf einer längeren Reise sein, war ihr gar nicht gekommen, und nunhatte sie sich wieder in Schwierigkeiten gebracht. Grübelnd kaute sie auf ihrer Unterlippe und überlegte, was sie dem Meister als Köder vorwerfen konnte, ohne seinen Zorn zu entfachen. Es musste etwas sein, das seine Gier anstachelte und seinen so scharfen Verstand trübte. Die Magierin stieg die Treppe zum Turm hinauf und trat durch die goldenen Flügel in das kreisrunde Studierzimmer des großen Meisters. Es gab nur eines, das seine Gier beflügelte: das Streben nach Macht, nach unvorstellbarer Macht, die totale Unterwerfung jeder lebenden Kreatur. Ein kalter Schauder rann über ihren Rücken, als der Gedanke langsam durch ihren Geist tröpfelte, und sie war sich plötzlich unsicher, ob sie diesen Tag wirklich herbeisehnte. Doch noch war es ein weiter Weg bis dahin, beruhigte sie sich, denn nur wer alle Schlüssel besaß, würde über die Drachen und damit über die Welt herrschen. Die Schlüssel allerdings waren gut verborgen.
Mykina blieb vor einem gläsernen Schrein stehen und betrachtete die kupferne Drachenfigur, die auf einem weichen Kissen ruhte. Sie war einfach perfekt. Stolz stieg in ihr auf, als ihr Blick über die glänzenden Schuppen strich. Der erste Schlüssel zur Macht! Trotz der Fehler, die sie begangen hatte, war sie es gewesen, die die erste Figur der alten Drachenkrone in den Labyrinthen der Silberberge aufgespürt hatte.
Je länger sie die Figur betrachtete, desto drängender spürte sie das Verlangen, das Glas anzuheben und die Figur von ihrem Kissen zu nehmen. Sie wollte den kupferfarbenen Drachen einfach noch einmal in ihrer Hand spüren. Es kostete sie einige Selbstbeherrschung, die Hände hinter ihrem Rücken zu lassen. Sie sah, wie die Luft um den Schrein flimmerte, und ahnte, dass sie den Versuch, den Drachen zu berühren, teuer würde bezahlen müssen. Astorin war kein Narr. Niemals würde er das Wertvollste, das er besaß, ungeschützt in seinem Studierzimmer liegen lassen. Und dann war da noch der eiserne Golem, der drüben an der Wand stand. Er würde sicher nicht einfach zusehen, wie sich Mykina dem Schatz näherte. Und ihren Charme bei diesem Wesen einzusetzen, konnte sie sich sparen. Der eiserne Wächter, der niemals ermüdete, war dagegen immun. Mykina wusste, wenn sie nur eine falsche Bewegung machte* würde der Golem sie ohne zu zögern töten.
Mykina wandte sich von der Drachenfigur ab und betrachtete neugierig drei schwarze Steine, die, von schillernden Schwaden umwirbelt, in einer Nische vier Fuß über dem Boden schwebten. Sie besah sich auch die Rücken der Bücher auf dem Bord an der Wand, wagte aber nicht, auch nur eines aufzuschlagen. Grübelnd verließ sie das Studierzimmer und stieg wieder die Treppe hinunter.
Was hat der Graf auf seiner Reise in Erfahrung gebracht?, fragte sie sich wohl schon zum hundertsten Mal. Die schwarze Figur, das Gegenstück zu der dort oben in Astorins Schrein, war der Grund dieser Reise gewesen, so viel wusste sie nun, und auch ein Teil der Reiseroute war ihr inzwischen bekannt. Hatte er den schwarzen Drachen gefunden oder nur nach ihm gesucht? Hatte er ihn in ein neues Versteck gebracht, ihn gar nach Theron geschafft? Dies waren die drängenden Fragen, die der Graf nun nicht mehr beantworten konnte, und auch von Lahryn waren keine Hinweise mehr zu erwarten. Mykina warf sich auf ihrbreites Bett und starrte hinauf zu dem schweren, blausamtenen Betthimmel.
»Draka«, murmelte sie leise, und sie konnte nicht verhindern, dass sich die feinen Härchen in ihrem Nacken aufstellten. War Gerald von Theron wirklich auf Draka gewesen? Zweifelnd schüttelte sie den Kopf. Wenn man dem Gerede Glauben schenken konnte, dann würde ein Sterblicher Draka nicht lebend verlassen. Und dennoch, konnte der schwarze Drache etwa auf Draka versteckt sein? Der Gedanke, Astorin
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