Die Drachenkrone ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
durchqueren, denn irgendwie war der Kupferdrache schließlich hineingekommen, und wenn es diesen Gang noch gab, dann würde er in die Freiheit führen, hinaus in die Sonne, zu Licht und Luft.
Der alte Magier folgte Treppen und Gängen immer weiter in die Tiefe hinab und erreichte nach einigen Umwegen schließlich den kochenden See. Schon jetzt schmerzten ihm Rücken und Beine, denn weite Strecken zu gehen, war er nicht mehr gewohnt. Langsam schleppte er sich die steinernen Stufen hinauf, die ihn zu der Halle hoch über dem See brachten. Dort legte er sich auf den harten Boden und schlief erschöpft ein.
Als er wieder erwachte, hatte er das Gefühl, jeden Knochen und Muskel in sich zu spüren. Steifbeinig erhob er sich und besah sich unsicher die Gänge und Spalten in der Wand. Verzweiflung stieg in ihm auf. Die Zeit drängte. Schon hatte er den zweiten Wassersack zur Hälfte geleert.
Lahryn schloss die Augen und atmete langsam ein und aus, bis sein Herzschlag ruhig und gleichmäßig ging. Da spürte er es: eine leichte Schwingung, wie sie von mächtigen Zaubern oder von magischen Wesen ausgeht. Ganz langsam schritt er an den Öffnungen vorbei und tastete mit seinem Geist nach den unsichtbaren Wellen. Nachdem er die Halle das zweite Mal umrundet hatte, war er sich sicher. Beherzt bog er in die Spalte ein und folgte dem magischen Band, das langsam stärker wurde. Bald konnte er die Echse in seinem Geist deutlich vor sich sehen und fragte sich bang, ob die Freunde sich nicht getäuscht hatten. Konnte ein toter Drache noch eine solch starke Aura haben? Es fiel ihm immer schwerer, einen Fuß vor den anderen zu setzen, und das lag nicht an seiner Erschöpfung. Lahryn keuchte und schwitzte. Er umrundete einen frisch aufgeschütteten Steinhaufen und blieb dann wie angewurzelt stehen. Zuckende Lichtstrahlen huschten über die Wände und strichen über den riesenhaften Hügel aus kupferfarbenen Schuppen. Da lag er, der stolze Drache, von herabgefallenen Felsbrocken halb begraben. Riesige Wunden klafften in seiner Seite. Das nun getrocknete schwärzliche Blut war herabgeflossen und hatte Münzen zu düsteren Klumpen verschmolzen. Der Kopf ruhte auf seinen Vorderbeinen, deren Klauen sich schützend um ein seltsames, schmutzig weißes Gebilde gelegt hatten.
Tiefe Traurigkeit stieg in Lahryn auf, als er die verlorene Kreatur betrachtete, die zu den prächtigsten Wesen aller Welten gehört hatte. Plötzlich erstarrte er. Täuschte ihn das flackernde Licht? Nein. Die Flanke zitterte, und nun hob sich ganz langsam der geschundene Brustkorb. Feine weiße Rauchkringel stoben aus den Nüstern. Peramina lebte! Zitternd setzte der Magier einen Fuß vor den anderen, ohne den Drachen aus den Augen zu lassen. Von der verletzten Echse in ihrer Höhle entdeckt zu werden, würde ihm sicher nicht gut bekommen und seiner Flucht ein jähes Ende bereiten. Sein Herz klopfte nun so laut, dass es ihm wie Hammerschläge in den Ohren hallte, sein Atem war zum Tosen von Sturmböen angeschwollen, und jeder noch so vorsichtig aufgesetzte Schritt polterte und dröhnte in seinen Ohren, dass es selbst ein Tauber hören musste, doch der Drache regte sich nicht. Langsam schlich der Magier auf den hohen gewölbten Gang zu, durch den der Drache einst sein Lager bezogen hatte. Jeder Schritt, der ihn von der Echse wegbrachte, war wie ein Stein, der aus seinem Leib genommen wurde.
Er war noch nicht weit gekommen, als er wieder an einem Felssturz aufgehalten wurde. War er mit dem Drachen zusammen hier unter den Silberbergen eingeschlossen? Für die Echse traf dies zu, denn die vielen Spalten und Risse, die den Berg durchzogen, waren für sie viel zu schmal. Doch ein Mensch konnte sich wohl hindurchzwängen. Lahryn brach den letzten Wassersack an, holte tief Luft und wählte dann einen der Gänge, von dem er glaubte, dass er ihn nach Westen bringen würde. Er folgte dem Gewirr aus niederen Höhlungen, schmalen Spalten und domartigen Hallen, immer in der Hoffnung, sie würden ihn irgendwo an der Westflanke des Gebirges ans Tageslicht bringen.
Am nächsten Tag ging sein Wasser zu Ende. Schnell wurde der Durst zur Qual, doch der alte Mann schleppte sich weiter. Das träge Blut begann in seinem Kopf zu rauschen, trübte seinen Verstand und gaukelte ihm herrlicheBilder vor. Immer wieder war es ihm, als könne er Wasser glucksen hören. Den Blick auf seine Füße gesenkt, tappte er schwerfällig weiter.
Ich darf nicht aufgeben, dachte er immer wieder, ich will nicht
Weitere Kostenlose Bücher