Die Drachenkrone ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
das Schweigen zu brechen und den ersten Schritt zu tun. Sie standen nur da und starrten sich zornig an, dann senkte Cay den Blick. Er trat mit seinem Stiefel gegen einen Baumstumpf. Er war wütend auf Vlaros und auf sich selbst. Die Worte des Reisegefährten hatten sich tief in sein Selbstbewusstsein gefressen und nagten mit ungehemmter Zerstörungswut weiter. Cay hatte sich früher nie Gedanken über Bildungs- und Standesunterschiede gemacht. Wozu auch? Er hatte keine Rechnung aufgestellt, wie gut seine Chancen standen, Rolanas Interesse zu wecken und ihre Zuneigung gewinnen zu können, bis der Magier den Stein ins Rollen brachte. Ein zweiter Tritt erschütterte das tote Holz.
Es war Vlaros, der die unheimliche Stille brach. »Ich bitte um Vergebung, dass ich die Beherrschung verloren habe«, sagte er gestelzt. »Es ist unverzeihlich, seine Gefühle so auf der Zunge zu tragen. Ich habe viele Jahre daran gearbeitet, alles unter Kontrolle zu haben, und so erfüllt es mich mit Schrecken, dass ich solch rüder Worte fähig bin.«
»Rüde Worte? Ach ja?«, erwiderte Cay, und seine Stimme klang aggressiv. »Du hast deine Eifersucht und deine Wut herausgelassen, na und? Dafür warst du zum ersten Mal ein Mensch. Ja, ich bin wütend auf dich, und ich hasse die Worte, die du gesagt hast. Ich hätte gute Lust, dich meine Fäuste spüren zu lassen, und dennoch ist dein zorniger Ausbruch mir lieber als all das arrogante Gefasel, das du sonst von dir gibst.« Er ballte die Fäuste und trat einen Schrift näher. Ängstlich wich Vlaros zurück.
»Du setzt dich gern auf ein hohes Ross und siehst auf andere herab, die deiner Meinung nach nicht gut genug sind, nur weil sie in arme Verhältnisse geboren sind, doch auch wir haben ehrliche Gefühle, auch wenn du dir das vielleicht nicht vorstellen kannst.«
Vlaros schluckte. Das Bild einer ärmlichen Fischerhüttestieg vor seinen Augen auf, verwahrloste, schmutzige Kinder, der ewige Gestank nach Tang und alten Fischresten, vermischt mit Schweiß und den Dämpfen der überquellenden Jauchegrube. Er räusperte sich.
»Ich bin nicht arrogant, ich teile doch nur das Wissen, das ich mir erarbeitet habe«, sagte er kleinlaut.
»Und du reibst jedem damit unter die Nase, dass du weit über ihm stehst. Doch das Leben besteht nicht nur aus den Weisheiten der Bücher. Wenn Rolana wieder gesund ist, dann soll sie selbst entscheiden, was ihr wichtiger ist.« Cays Stimme klang fest, obwohl er sich schon jetzt vor diesem Tag fürchtete.
Erleichtert, dass die Fäuste des anderen nicht mehr geballt waren, fiel Vlaros schnell ein:
»Das Wichtigste ist, dass wir Rolana nach Fenon bringen und einen Priester finden, der sie heilt. Wenn du es schaffst, deine Gefühle im Zaum zu halten, dann ist das gut für sie und für uns, und ich verspreche dir …«
Cay unterbrach ihn scharf. »Auch wenn du es dir nicht vorstellen kannst, da, wo ich herkomme, steht Freundschaft über allem. Jeder gibt sein Leben für den anderen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Rolana, Thunin und Ibis sind meine Freunde, und ich werde nichts tun, was einen von ihnen in Gefahr bringen könnte. Deshalb werde ich meinen Zorn herunterschlucken und dich nicht verprügeln, auch wenn es mich in den Fäusten juckt.«
Vlaros räusperte sich. »Dann schließen wir Waffenstillstand?«
Er wollte Cay die Hand reichen, doch der hatte sich bereits abgewandt und stapfte mit schwerem Schritt durchden Wald zurück zum Lager. Der Magier beeilte sich, ihm zu folgen. So allein wollte er nicht auf der nächtlichen Lichtung zurückbleiben.
9
Die Stadt in den Bäumen
I n aller Frühe brachen die Gefährten auf. Die Trage erwies sich als brauchbar, doch wie erwartet kamen sie nur langsam voran, da immer einer zu Fuß gehen musste, um die beiden Pferde zu führen. Cay, Ibis und Thunin ritten abwechselnd voran, um den Weg zu erkunden. Manche der Pfade, die sie auf dem Hinweg benutzt hatten, stellten sich als zu schmal für die Krankentrage heraus. Obwohl die Freunde sich bemühten, möglichst ebene Wege zu finden, war die Reise für die Verletzte eine Qual, und immer wieder schrie sie vor Schmerz auf. Vlaros jammerte über Rolanas verlorenen Rucksack, in dem sicher ein schmerzstillendes Pulver gewesen war, und darüber, dass keiner von ihnen ihr Linderung verschaffen konnte. Immer öfter mussten sie eine Pause einlegen, denn die junge Frau in den Decken war schon wieder beängstigend blass. Mit gerunzelter Stirn kramte Thunin in seinem
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