Die Drachenreiter von Pern 01 - Die Welt der Drachen
verwaltet, wenn das Intervall nicht so lange gedauert hätte. Die alten Schriften warnen vor den Gefahren …«
»Schriften? Gefahren? Und was meinen Sie mit Intervall?«
»Ein Intervall tritt dann auf, wenn der Rote Stern nicht nahe genug an Pern vorüberzieht, um die Fäden auszulösen. In den Schriften steht, dass es etwa zweihundert Planetenumdrehungen dauert, bis der Rote Stern zurückkehrt. F'lar schätzt, dass die doppelte Spanne verging, seit die letzten Fäden fielen.«
Lessa warf einen besorgten Blick nach Osten. F'nor nickte ernst.
»Ja, und in vierhundert Jahren vergisst man leicht Furcht und Vorsicht. R'gul ist ein guter Kämpfer und ein guter Geschwaderführer, aber er muss eine Gefahr sehen und greifen, bevor er sie anerkennt.
Oh, er hat die Gesetze und all die Traditionen gelernt, aber im Innersten verstand er sie nie.
Nicht so wie F'lar - oder ich«, fügte er herausfordernd hinzu, als er Lessas skeptischen Gesichtsausdruck sah. Seine Augen wurden schmal, und er richtete anklagend den Finger auf sie.
»Und nicht so wie Sie - auch wenn es bei Ihnen ein unterbewußtes Verständnis ist.«
Sie zog sich zurück, nicht aus Angst vor ihm, sondern vor der Drohung, an die sie fest glaubte, ohne zu wissen weshalb.
»In dem Augenblick, als F'lar von Mnementh auserwählt wurde, begann F'Ion den Jungen auf die Führung des Weyrs vorzubereiten. Und dann kam F'Ion bei diesem lächerlichen Streit ums Leben.«
F'nors Stimme klang verärgert und bedauernd zugleich. Jetzt erst merkte Lessa, dass der braune Reiter von seinem Vater sprach, »F'lar war zu jung, um den Weyr zu übernehmen, und bevor jemand eingreifen konnte, paarte sich R'guls Hath mit Nemorth, und wir müssten warten. Aber R'gul brachte es nicht fertig, Joras Trauer über F'Ion zu zerstreuen. Sie ließ sich gehen.«
F'nor zuckte mit den Schultern. »Dazu kam R'guls Isolierungspolitik. Das Ansehen des Weyrs sank immer rascher.«
»Ich weiß«, entgegnete Lessa bitter.
»Hören Sie mir gut zu!«
F'nors strenge Worte durchdrangen ihren ohnmächtigen Zorn. Sie hatte nicht geglaubt, dass er zu solcher Schärfe fähig sein könnte. Ihre Bewunderung für den braunen Reiter stieg.
»Ramoth ist voll entwickelt, bereit für den ersten Paarungsflug. Wenn sie fliegt, steigen alle Bronzedrachen auf, um sie zu fangen. Nicht immer erhält der Stärkste die Königin. Manchmal siegt derjenige, der von den Weyrmitgliedern auserwählt wurde.« Er sprach langsam und betonte jedes Wort. »So war es damals bei Hath. Die älteren Reiter entschieden sich für R'gul. Sie konnten es nicht ertragen, von einem Neunzehnjährigen Befehle entgegenzunehmen, auch wenn er F'lons Sohn war. So bekam Hath Nemorth. Und sie bekamen R'gul. Sie bekamen, was sie wollten. Sehen Sie sich nur um!«
Mit einer zornigen Handbewegung deutete er auf den verwahrlosten Weyr.
»Es ist zu spät, zu spät«, stöhnte Lessa. Nun verstand sie alles leider auch zu spät.
»Vielleicht - und durch Ihre Schuld«, erwiderte F'nor zynisch. »Warum müssten Sie K'net zu diesen Überfällen anstiften? Es war unnötig. Unser Geschwader erledigte diese Dinge unauffällig. Wir unterbrachen unsere Einsätze nur, als von Ruatha so viele Vorräte kamen. Das ist keine Feigheit, sondern Vorsicht, Lessa von Pern! Die Barone fühlen sich stark genug, um zum Gegenschlag auszuholen.«
F'nor sah sie mit einem bitteren Lächeln an.
»Überlegen Sie, was R'gul tun wird, wenn die bewaffneten Burgherren hier erscheinen und Satisfaktion verlangen!«
Lessa schloss die Augen. Sie konnte sich das Bild nur zu gut vorstellen. Müde nahm sie auf ihrer Felsbank Platz. Sie hatte sich verrechnet. Sie hatte geglaubt, dass sie auch hier Erfolg haben müsste wie auf Ruatha, als sie Fax in den Tod geschickt hatte. Und nun brachte sie dem Weyr durch ihre Arroganz den Untergang.
Plötzlich drang Lärm in den Beratungsraum Es klang, als befände sich der ganze Weyr in Aufruhr. Die Drachen brüllten erregt, zum ersten Mal seit zwei Monaten.
Verwirrt sprang sie auf. War es F'lar nicht gelungen, K'net abzufangen? Hatten die Barone dem jungen Drachenreiter eine Falle gestellt? Zusammen mit F'nor lief sie in die Schlafhohle der Drachenkönigin.
Es war weder F'lar noch K'net, sondern der Weyrführer R'gul. Seine Augen leuchteten erregt, und seine Zuge wirkten verzerrt. Hath saß draußen auf dem Sims; Lessa spürte, dass auch der Bronzedrache erregt war. R'gul warf einen raschen Blick auf Ramoth, die friedlich weiterschlief. Dann
Weitere Kostenlose Bücher