Die Drachenreiter von Pern 01 - Die Welt der Drachen
Ich spürte sie auch damals, als Fax Ruatha eroberte.«
Sie sprach so leise, dass er ihre Worte kaum verstand. Ihre Augen waren weit aufgerissen. Sie umkrampfte die Tischkante. F'lar beobachtete sie besorgt. Mit dieser Reaktion auf seine beiläufige Frage hatte er nicht gerechnet.
»Weiter«, sagte er sanft.
Sie sprach unbewegt, sachlich, als berichte sie von einer Begebenheit, die sie persönlich nicht berührte.
»Ich war ein Kind.
Elf Jahre alt.
Ich erwachte im Morgengrauen …«
Sie sprach nicht weiter. Ihre Blicke waren immer noch ins Nichts gerichtet. Sie betrachteten eine Szene, die sich vor langer Zeit abgespielt hatte.
F'lar spürte mit einemmal das Verlangen, Lessa zu trösten. Er hatte niemals vermutet, dass ausgerechnet sie von so alten Erinnerungen gequält wurde.
Mnementh erklärte scharf, dass Lessa mit ihren Erinnerungen Ramoth aus dem Schlaf schrecke. Dann fügte er etwas versöhnlicher hinzu, dass R'gul endlich mit seinen Schülern aufgebrochen sei. Sein Drache Hath jedoch befände sich in einem Zustand völliger Verwirrung, was auf die Gedankengänge seines Reiters zurückzuführen sei. Ob F'lar denn den gesamten Weyr aufscheuchen müsse …
»Ach, sei still!« sagte F'lar halblaut.
»Weshalb?« fragt Lessa. Sie hatte ihren normalen Tonfall wieder gefunden.
»Ich habe nicht dich gemeint«, erwiderte er lächelnd. Er tat, als hätte er ihre Sätze von vorher nicht gehört. »Mnementh erteilt mir laufend Ratschläge.«
»Wie der Reiter, so der Drache«, meinte sie spitz.
Ramoth gähnte gewaltig.
Lessa war sofort auf den Beinen und lief in die Schlafhohle der Drachenkönigin. Sie wirkte winzig neben dem goldenen Ungetüm.
Ein zärtliches Leuchten kam über ihre Züge, als sie in Ramoths schillernde Augen sah. F'lar biss die Zähne zusammen.
Neid erfüllte ihn, Neid auf Ramoth.
Er hörte Mnemenths Gelächter.
»Sie hat Hunger«, sagte Lessa, zu F'lar gewandt.
Ihr Mund war weicher als gewöhnlich, und ihre grauen Augen verrieten Wärme.
»Sie hat immer Hunger«, stellte er fest und folgte ihnen nach draußen.
Mnementh flog auf und schwebte ein Stück oberhalb des Felsvorsprungs, bis Lessa und Ramoth gestartet waren. Sie glitten in den Weyrkessel, über den dunstigen Badesee und auf die Futterstelle zu, die am anderen Ende des lang gestreckten Ovals lag. In den steilen Felswänden gähnten schwarze Höhleneingänge. Nirgends dösten an diesem Morgen Drachen in der blassen Wintersonne.
F'lar schwang sich auf Mnemenths glatten Nacken. Er hoffte, dass Ramoth das Vertrauen rechtfertigen wurde, das er in sie gesetzt hatte. Aber das war eigentlich nicht schwer. Nach dem wilden, langen Paarungsflug mit Mnementh legte sie sicher mehr Eier als Nemorth, die sich in den letzten Jahren mit einem schäbigen Dutzend begnügt hatte.
Der Bronzedrache stimmte ihm selbstgefällig zu, und sie beobachtete beide mit Besitzerstolz, wie die goldene Drachenkönigin landete. Sie war bereits jetzt doppelt so groß wie Nemorth und besaß eine mächtigere Flügelspannweite als Mnementh, der unter den sieben Bronzedrachen der kräftigste war. F'lar erwartete von Ramoth, dass sie die fünf verlassenen Weyr neu bevölkern würde, so wie er glaubte, dass er selbst mit Lessas Unterstützung den Stolz und das Vertrauen der Drachenreiter wiederherstellen konnte. Er hoffte nur, dass ihm Zeit genug blieb, um das zu tun, was notwendig war. Der Rote Stern hatte sich im Felsöhr gezeigt. Bald würden die Faden fallen. Irgendwo, vielleicht in den Archiven der anderen Weyr, musste es Aufzeichnungen über den genauen Zeitpunkt dieses Ereignisses geben.
Mnementh landete. F'lar sprang zu Boden und trat neben Lessa Die drei sahen Ramoth nach, die mit einem fetten Bock in den Klauen zu einem Felsensims flog.
»Wird sie ihre Gefräßigkeit nie verlieren?« fragte Lessa mit liebevoller Besorgnis.
Anfangs hatte Ramoth gefressen, um zu wachsen. Nun, da sie ihre volle Größe besaß, fraß sie natürlich für ihre Jungen, und sie gab sich dieser Aufgabe mit Feuereifer hin.
F'lar lachte vor sich hin. Er nahm kleine Schieferstückchen auf, ging in die Hocke und ließ sie flach über den Boden sausen. Dann zählte er kindisch die Staubwolken, die dabei hoch wirbelten.
»Sie wird sich schon noch mäßigen«, beruhigte F'lar sie. »Aber sie ist jung …«
»… und braucht ihre Kraft«, unterbrach ihn Lessa. Sie imitierte R'guls pedantischen Tonfall.
F'lar sah zu ihr auf. Er musste blinzeln, weil ihn die schräg einfallenden
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