Die Drachenreiter von Pern 08 - Nerilkas Abenteuer
ihre schmale Figur zu erdrücken schien und ihr ständig über die Hängeschultern rutschte, erinnerte sie an eine aufgeplusterte Wherhenne. Es fehlte ihr an Würde, Erfahrung, gesundem Menschenverstand und Humor.
»Was hat das zu bedeuten, daß Sie zwei volle Tage abwesend waren? Wenn Sie sich heimlich mit irgendeinem Pächterlümmel herumtreiben…«
Bei dieser Anschuldigung unterbrach ich sie scharf: »Ich war mit der Zubereitung von Kraftbrühen und Hustensirup beschäftigt. Außerdem mußte ich unsere Arzneivorräte überprüfen - für den Fall, daß auch auf Fort die Seuche ausbrechen sollte.« Sie errötete bei meinem Hinweis auf die gegenwärtige Krise. »Ich trage seit Jahren die Verantwortung für alle medizinischen Belange des Burghaushalts.«
»Warum hat man mir das nicht gesagt? Ihr Vater…« Sie preßte die Lippen zusammen und sprach nicht weiter.
»Mein Vater hat keine Ahnung von diesen Dingen. Alle häuslichen Angelegenheiten lagen in den Händen meiner verstorbenen Mutter.«
Sie warf mir einen forschenden Blick zu, aber ich hatte ruhig gesprochen und meine Worte mit großer Sorgfalt gewählt.
»Niemand hier gibt mir die richtigen Auskünfte!« beschwerte sie sich. »Wie heißen Sie denn - wenn nicht Nalka?«
»Nerilka.«
»Das klingt doch ganz ähnlich. Weshalb sind Sie nicht gekommen, als ich nach Ihnen schickte?«
»Weil man mich nicht verständigte.«
»Aber die Leute wußten, daß ich die älteste Tochter des Burgherrn suchte.«
»Sie sollten berücksichtigen, daß im Moment auf Burg Fort große Trauer und Verwirrung herrschen.«
Anella preßte die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen, aber ihre vorquellenden Augen blitzten vor Zorn und verrieten, daß sie innerlich kochte. Sie rauschte zum Fenster, zerrte am Ausschnitt ihres Morgenmantels und kehrte wieder um.
»Da Ihre Mutter alles so perfekt organisiert hatte, gibt es auf Fort sicher irgendwo einen Vorrat an Stoffen und Schnittmustern. Begleiten Sie mich, damit ich das passende Material für meine neue Garderobe abmessen kann!«
»Tante Sira beaufsichtigt die Webstube.«
»Was kümmert mich diese Webstube? Ich möchte, daß Sie ein paar Kleider für mich nähen. Sie können doch mit Nadel und Faden umgehen, oder?« Als ich nickte, fuhr sie fort: »Wo sind die Schlüssel?« Ich deutete auf die kleine Truhe. Mit einem triumphierenden kleinen Aufschrei lief sie hin und riß die Schublade so weit auf, daß sie fast aus den Führungen kippte. Die Schlüssel der Burg hatten ihr noch zum Zeichen ihrer neuen Würde gefehlt. Sie mußte den massiven Ring mit beiden Händen festhalten. »Welcher Schlüssel gehört zur Stoffkammer? Und welcher öffnet den Tresor mit dem Familienschmuck? Und den Spezereien-Schrank?«
»Die einzelnen Stockwerke sind durch Farben gekennzeichnet. Die Schlüssel zu den Wirtschaftsräumen sind kleiner als die zu den Wohn- und Schlafräumen. Die goldenen Schlüssel führen in den Speise- und Aufenthaltssaal, die grünen in die Küchengewölbe.«
Ich verbrachte den Rest des Vormittags damit, meine Stiefmutter durch die verschiedenen Stockwerke der Burg zu führen - bis hinunter in die Gewölbe mit den Wirtschaftsräumen. Ihre Fragen beantwortete ich ausführlich und wahrheitsgemäß, aber ich dachte nicht daran, ihr freiwillig irgendwelche Informationen zu liefern. Hinterher wußte ich nicht, was mich mehr ärgerte - mein eigenes Verhalten oder ihre totale Ahnungslosigkeit in Haushalts- und Verwaltungsdingen. Hatte ihre Mutter sie denn überhaupt nicht zur Arbeit angehalten, obwohl sie die einzige Tochter des Hofes war? Ich nahm an, daß mein Vater den Tag verwünschen würde, an dem seine Sinnlichkeit über die Vernunft gesiegt hatte. Und die Inkonsequenz seines Verhaltens! Garben, der Mann, der um meine Hand angehalten hatte, war ihm nicht vornehm genug gewesen, obwohl er aus dem gleichen gesellschaftlichen Umfeld stammte wie Anellas Familie. Plötzlich wußte ich, daß ich auf keinen Fall hier sein wollte, wenn für Baron Tolocamp das große Erwachen kam.
Anella brauchte mich zum Zuschneiden einiger Kleider. Wenigstens besaß sie so viel Verstand, daß sie Nia und Lilla den Rest der Stoffbahnen für neue Kittel schenkte. Das hatte zur Folge, daß die beiden bereitwillig bei der Näharbeit halfen. Sobald die Schnitte geheftet waren und die Mädchen allein zurechtkamen, zog ich mich unter dem Vorwand zurück, daß ich nach meinen Arzneien sehen müßte.
An diesem Tag erfuhr ich in der Harfner-Halle
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