Die Drachenreiter von Pern 08 - Nerilkas Abenteuer
Bedeutung des Manifests, das sie am Vorabend verlesen hatte: Sie war jetzt Burgherrin und besaß sämtliche Machtbefugnisse meiner verstorbenen Mutter. Nun, es gab gewisse private Dinge aus dem Besitz von Lady Pendra, die ihr auf keinen Fall in die Hände fallen durften. Ich richtete noch ein paar tröstende Worte an Felim, um sicherzugehen, daß er abends ein vernünftiges Essen auf den Tisch brächte, und suchte dann hastig Mutters Büro in den Unteren Höhlen auf.
Dort nahm ich in aller Eile ihre privaten Aufzeichnungen an mich. Wir Mädchen wußten seit langem, daß sie sich Notizen über uns und das Personal zu machen pflegte, und wir vermieden es, allzu häufig in ihren Niederschriften aufzutauchen. In Anellas Händen würden die Einträge ein Erpressungswerkzeug darstellen, denn sie enthielten nicht nur unsere Kindheitssünden, sondern auch die intimen Nöte und Probleme der Bewohner im zweiten Stockwerk. Darüber hinaus besaß Mutter eine Schatulle mit Juwelen und Schmuck, der ihr ganz persönlich gehörte und nicht zu den Erbschätzen der Burg zählte. Von Rechts wegen mußten die Pretiosen unter ihren leiblichen Töchtern aufgeteilt werden. Da ich bezweifelte, daß Anella das tun würde, beschloß ich, diese Aufgabe selbst zu übernehmen.
Zunächst galt es, die Dinge sicher zu verwahren, noch ehe Anella den Besitz meiner Mutter zu durchwühlen begann. So eilte ich durch die Gesinde-Korridore zu den Lagerräumen und versteckte die beiden Pakete mit den Aufzeichnungen sowie das kleine Päckchen mit dem Schmuck auf dem obersten Brett eines staubigen Regals. Anella war mindestens zwei Handbreit kleiner als ich.
Ich befand mich gerade auf dem Rückweg, als Sim mir in den Weg trat.
»Lady Nerilka, sie sucht nach einer Lady Nalka.«
»Tatsächlich? Aber es gibt auf Burg Fort keine Lady Nalka, oder?«
Sim starrte mich verwirrt an. »Aber - aber meint sie damit nicht Sie, Lady?«
»Vielleicht, doch solange sie sich nicht angewöhnt, mich bei meinem richtigen Namen zu nennen, bin ich keineswegs verpflichtet, ihr Rede und Antwort zu stehen, Sim.«
»Wenn Sie meinen, Lady Nerilka.«
»Gut. Du gehst jetzt zu ihr, Sim, und sagst, daß du Lady Nalka nirgends auf der Burg finden kannst.«
»Das soll ich wirklich tun?«
»Ja, genau das sollst du tun.«
Er schlurfte davon und murmelte die Antwort vor sich hin: »Lady Nalka nirgends auf der Burg… keine Lady Nalka auf der Burg…«
Ich überquerte den Hof zur Harfner-Halle. Anella hatte im Moment vermutlich andere Dinge im Kopf als die Arzneivorräte, aber irgendwann würde ihr jemand den Tip geben, daß die älteste Tochter von Baron Tolocamp Lady Nerilka hieß. Und sie würde sich ganz bestimmt bei meinem Vater beschweren. Das bedeutete, daß ich mit einer harten Strafe zu rechnen hatte, sobald Baron Tolocamp die Quarantäne beendete und seine Räume verließ. Aber noch besaß ich das volle Verfügungsrecht über die Arzneien, und ich hatte mir geschworen, daß die Heiler davon profitieren sollten.
Ein gutgelaunter Lehrling wies mir den Weg zum Küchentrakt der Halle. Während ich hinüberschlenderte, kam mir in den Sinn, daß ich in jüngster Zeit fast nur noch Küchengewölbe sah.
»Die Glasflaschen müssen richtig sterilisiert werden! Das bedeutet, daß du sie fünfzehn Minuten lang in sprudelnd kochendes Wasser tauchst und nicht einfach in den heißen Sand steckst!« erklärte Desdra gerade einem Gesellen. »Außerdem - oh, Lady Nerilka!« Desdra strahlte einen völlig neuen Optimismus aus, als sie mich begrüßte.
»Geht es Meister Capiam besser?«
»Er ist zum Glück wieder ganz der alte. Nicht jeder, der diese Seuche erwischt, muß daran sterben. Ist auf Burg Fort jemand erkrankt?«
»Wenn Sie meinen Vater meinen - er verläßt zwar seine Räume nicht, ist aber gesund genug, um seine Befehle zu erteilen.«
»Ich habe davon gehört.« Ihr schwaches Lächeln verriet mir, daß sie die Veränderungen auf Burg Fort ebenfalls geschmacklos fand.
»Ich weiß nicht, wie lange ich noch über die Arzneivorräte verfügen kann. Deshalb möchte ich, daß Sie mir sagen, was Sie am dringendsten benötigen.«
Desdra hatte sich wieder dem Gesellen zugewandt, um ihn bei der Arbeit zu beobachten. Ganz offensichtlich hatte sie wichtigere Dinge im Kopf als die Arzneien. Aber dann sah sie mich mit einem Lächeln an und fragte: »Haben Sie die Möglichkeit zum Sieden, Filtrieren und Mixen?«
»Ich stelle seit Jahren sämtliche Medikamente für den Bedarf unserer Burg
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