Die Drachenreiter von Pern 10 - Der Renegaten von Pern
prägten sich ihm ein und formten sich zu einem zynischen Bild, das er nie vergessen sollte: Bis auf das kurzgeschorene Haar sah der Reiter eigentlich aus wie ein ganz gewöhnlicher Mann. Unter anderen Umständen und mit dem Wissen, daß er erst später erwarb, hätte Jayge ihm seine Reizbarkeit und vielleicht sogar seine bitteren Vorwürfe verziehen. Aber nicht an diesem Tag.
Was ihn jedoch faszinierte, war der Drache. Jayge bemerkte die dunklen Rußstreifen auf der braunen Haut, die beiden beschädigten Zacken auf dem Rückenkamm; die wulstigen Narben auf den Vorderpfoten - lange, tiefe Narben in dunklerem Braun, wie sie sich auch über Rumpf und Rücken zogen - und die an mehreren Speichen verdickte Schwingenmembran. Am meisten beeindruckte ihn freilich die unsägliche Müdigkeit in den schwach kreisenden, purpurn bis blaugrün schillernden Drachenaugen. Noch viele Nächte sollten ihm diese Augen in seinen Träumen erscheinen - und von einer Erschöpfung künden, die auch er selbst bis ins Mark spürte.
Obwohl in jenem ersten Augenblick der Drache dominierte, lenkte der Reiter mit seinen strengen Worten und dem verächtlichen Tonfall, in dem er sie vorbrachte, rasch alle Aufmerksamkeit auf sich. Er behandelte Crenden wie einen Knecht, ein völlig bedeutungsloses Wesen, dessen einziger Daseinszweck es war, die Befehle eines Drachenreiters entgegenzunehmen. Stellvertretend für seinen Vater und für den kläglichen Rest seiner Sippe nahm Jayge ihm diesen Ton übel, er war wütend auf den Mann und alles, wofür er stand. Und er haßte den Drachenreiter für das, was er zu ihrem Schutz nicht getan hatte.
»Wir sind kein Bodentrupp, Drachenreiter. Wir sind nur die letzten Überbleibsel der Lilcamp-Karawane«, erklärte Crenden heiser.
Die hinter ihm Stehenden starrten erschöpft, in stummem Groll vor sich hin.
»Eine Karawane?« fragte der Drachenreiter abfällig.
»Eine Karawane - bei Fädenfall im Freien? Mann, Sie müssen wahnsinnig sein.«
»Wir wußten nichts von einem Fädenfall, als wir Kimmage verließen.«
Jayge schnappte nach Luft. Er hatte seinen Vater noch nie die Unwahrheit sagen hören - aber eigentlich war es auch keine echte Lüge.
Sie hatten tatsächlich noch nichts von den drohenden Fäden gehört, als sie von Kimmage aufgebrochen waren. Und sein Vater hatte recht, wenn er den Drachenreiter beschämte.
»Das kann doch gar nicht sein!«
Der Drachenreiter war nicht bereit, sich die Verantwortung aufbürden zu lassen.
»Alle Siedlungen wurden benachrichtigt.«
»In Kimmage war vor unserem Aufbruch nichts bekannt.« Crenden war nicht minder entschlossen, die Schuld von sich abzuwälzen.
»Nun, wir können schließlich nicht jeden törichten Händler und jeden entlegenen Winkel beschützen. Ich frage mich allmählich, warum wir überhaupt gekommen sind, wenn das der Dank dafür ist! Welchem Burgherrn sind Sie unterstellt? Machen Sie das mit ihm aus.
Seine Sache war es, dafür zu sorgen, daß Sie gewarnt wurden. Und wenn von Kimmage keine Bodentrupps ausgeschickt werden, könnte die gesamte Gegend gefährdet sein. Komm, Rimbeth. Jetzt müssen wir das ganze, verdammte Gelände absuchen!«
Er funkelte Crenden wütend an.
»Auf Sie fällt es zurück, wenn sich Fäden eingenistet haben. Haben Sie verstanden?«
Damit setzte der Drachenreiter den Helm wieder auf und griff fest in die Riemen, die ihm auf dem Drachenrücken Halt gaben. In diesem kurzen Moment glaubte Jayge neben seinem Feuer ganz deutlich zu spüren, wie ihn der Drache direkt ansah. Dann drehte das große Tier den Kopf nach vorn, breitete die Schwingen aus und stieß sich kraftvoll vom Boden ab.
»Rimbeths Reiter, ich werde Sie nicht vergessen! Ich werde Sie finden, und wenn es das letzte ist, was ich tue!«
Crenden schrie es wütend und drohte mit der Faust gen Himmel.
Ungläubig beobachtete Jayge, wie der Drache von einem Augenblick zum anderen verschwand.
Drachenreiter waren ganz anders, als er es erwartet, ganz anders, als man es ihn gelehrt hatte.
Nie wieder in seinem ganzen Leben wollte er einem Drachenreiter gegenüberstehen.
***
Am nächsten Morgen gelang es ihnen, vier Wagen und das wenige Gepäck zu bergen, das nach dem Bad noch zu verwenden war. Sämtliche Vorräte waren verdorben oder von der Strömung fortgetragen worden. Von den leichteren Bündeln und Kisten war vieles entweder verbrannt oder hatte sich losgerissen und war davon geschwommen. Nur zwölf Tiere hatten überlebt, drei hatten durch die Sporen das
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