Die Drachenreiter von Pern 14 - Drachenauge
ich immer gezögert, die Angelegenheit öffentlich zur Sprache zu bringen …«
»Man kann einfach nicht mit ihm reden«, bestätigte Irene und kniff frustriert die schmalen Lippen zusammen.
Bridgely warf ihr einen zustimmenden Blick zu und fuhr dann fort: »Ständig ist er dabei, die wenigen Gesetze, die wir auf Pern haben, zu beugen oder zu brechen. Zwielichtige Machenschaften, sittenwidrige Verträge, ungewöhnlich harte Konditionen für seine Pächter …«
»Bei uns wohnen ein paar Leute, die aus Bitra geflohen sind. Sie wissen Geschichten zu erzählen, die einem die Haare zu Berge stehen lassen«, lamentierte Lady Jane, verzweifelt die Hände ringend. »Ich habe diese Aussagen mitgeschrieben …«
»Wirklich?«, fiel Paulin ihr ins Wort. »Ich möchte sie gern sehen. Autonomie ist ein Privileg, das an Verantwortung gebunden ist, kein Freibrief für Tyrannei oder Ausbeutung der Pächter. Selbstverständlich verleiht die Souveränität eines Gemeinwesens dem jeweiligen Burgherrn nicht das Recht, mit seinen Untergebenen willkürlich zu verfahren. Als Gegenleistung für ihre Abgaben und ihren Arbeitseinsatz schuldet er ihnen grundlegende Dinge, wie zum Beispiel Schutzmaßnahmen, wenn ein Fädenfall bevorsteht.«
»Ich weiß nicht, ob es richtig wäre, ihn einfach abzusetzen«, warf Jamson ein, dessen Zweifel sich vertieften. »Eine so extreme Maßnahme könnte die Moral auf sämtlichen Burgen untergraben.«
»Wäre möglich«, pflichtete Paulin ihm bei.
»Aber unvorbereitet in einen Fädeneinfall zu gehen, dürfte der Moral auf Bitra auch nicht gerade förderlich sein«, stellte Tashvi richtig.
Paulin hob die Hand und wandte sich an M'shall. »Von Ihnen hätte ich gern eine Liste mit konkreten Beispielen, wann und wie Burg Bitra den Weyr um seinen Tribut betrogen hat. Jane, in Ihre Aufzeichnungen würde ich gern einen Blick werfen.«
»Ich kann ebenfalls mit einigen schlimmen Geschichten aufwarten«, fügte Irene hinzu.
Paulin nickte und schaute in die Runde. »Da Chalkins Weigerung, sich auf den Fädenfall vorzubereiten, nicht nur sein eigenes Gemeinwesen, sondern auch die Ländereien seiner Nachbarn gefährdet, müssen wir das Problem so rasch wie möglich lösen und ihn zur Rechenschaft ziehen!« Jamson riss protestierend einen Arm hoch, doch Paulin winkte besänftigend ab. »Warten wir erst einmal die Ergebnisse ab. Sollten sich die Vorwürfe als gerechtfertigt erweisen, schreiten wir zur Tat. Vorerst wollen wir ihm zugute halten, dass ihm Hegmons neuer Wein zu Kopf gestiegen ist, und er gar nicht Herr der Lage war.«
»Hah!«, prustete Irene verächtlich, und ihre Skepsis wurde von den meisten Anwesenden geteilt.
»Wir dürfen uns nicht von persönlichen Antipathien beeinflussen lassen«, stellte Paulin resolut fest.
»Warten Sie, bis Sie meine Aufzeichnungen gelesen haben«, lautete ihre knappe Antwort.
»Und meine«, stärkte Bridgely ihr den Rücken.
»Aber wer sollte in einem solchen Fall seinen Platz einnehmen?«, fragte Jamson, den die Besorgnis streitlustig machte.
»So kurz vor einem Fädeneinfall möchte ich nicht derjenige sein«, gab Bastom zu.
Paulin verzog das Gesicht. »Aber einer muss sich finden.«
»Wenn ich dazu etwas sagen darf.« Clisser hob die Hand. »Die Verfassung verpflichtet uns, einen geeigneten Kandidaten aus der Blutslinie des Verurteilten zu bestimmen …«
»Hat er denn überhaupt Verwandte?«, fragte Bridgely, Verblüffung heuchelnd.
»Ich glaube schon, dass er außer seinen Kindern noch Blutsverwandte hat«, meldete sich Franco. »Da wäre ein Onkel …«
»Es fragt sich nur, ob sie mehr taugen, wenn sie denselben Stammbaum besitzen wie Chalkin«, stänkerte Tashvi.
»Wie heißt es doch so schön: Neue Besen kehren gut«, meinte Irene. »Ich habe gehört, dass Chalkin seinen Onkel von der Erbfolge ausschloss und ihn auf ein abgeschiedenes Anwesen verfrachtete …«
»Er hat ihn in Nullkommanichts aus dem Weg geschafft, so viel steht fest«, bestätigte Bridgely. »Jetzt haust er wie ein Einsiedler in irgendeiner unterentwickelten Region in den Bergen.«
»Alles, was zu Bitra gehört, ist unterentwickelt und rückständig«, kicherte Azury von Boll.
»Einen Nachfolger aufzutreiben ist nicht unser vordringlichstes Problem«, warf Paulin ein, das Gespräch wieder an sich reißend. »Wir müssen Chalkin nur davon überzeugen, dass sich nicht so viele Leute bezüglich des Fädenfalls irren können.«
Dieses Mal verdeutlichte Zulaya ihre Skepsis. »Er gibt
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