Die Drachenreiter von Pern 14 - Drachenauge
… äh … der Anwendung von Euthanasie?«, fragte Joanson in sehr nachdenklichem Ton.
Eine geraume Zeit lang musterte sie prüfend den groß gewachsenen Mann. »Dazu habe ich keine feste Meinung, Joanson. Wie Sie wissen, befinden sich unter den Kursteilnehmern einige Leute, die keine umfassende medizinische Ausbildung genossen haben. Von diesen kann ich keine Maßnahme verlangen, die mir selbst anzuwenden sehr schwer fallen würde. Ich spreche hier von Sterbehilfe.« Dann widmete sie sich Frenkal.
»Wir haben geschworen, Leben zu erhalten. Aber wir sind gleichfalls durch einen Eid verpflichtet, unseren Patienten eine gewisse Lebensqualität zu gewährleisten.« Ihre Lippen zuckten, als sie daran dachte, dass diese beiden Ziele zuweilen miteinander in Konflikt gerieten. »Jeder von uns sollte sich Gedanken darüber machen, wie wir in einer verzweifelten Situation handeln würden. Ich finde, Todesqualen zu verkürzen ist erlaubt und ethisch absolut vertretbar. Ich glaube nicht, dass wir im Ernstfall die Zeit haben, um über Moral, Ethik, Grausamkeit oder Gnade nachzudenken.« Sie holte tief Luft. »Ich habe Bänder gesehen, die in allen Einzelheiten zeigen, wie Tiere bei lebendigem Leib und vollem Bewusstsein von Fäden aufgefressen wurden.« Sie bemerkte, wie Joanson zusammenzuckte. »Jawohl, die erbarmungswürdigen Kreaturen lebten bis zum Schluss, weil die Fäden den Hinterleib zuerst attackierten. Ich glaube, wenn Sie Zeuge werden, wie ein Mensch Opfer einer solchen Tortur wird, werden Sie sich spontan dazu entschließen, dem Leiden ein Ende zu setzen – so rasch wie möglich.«
Da sich noch mehr Leute mit dieser Frage an sie wandten, war sie beinahe froh, als die Lunchpause endete und sie über das emotional weniger belastende Thema Amputation sprechen konnte. Jeder brauchte in dieser Hinsicht einen Auffrischungskurs, besonders, was Notoperationen anging, wenn unter schwierigsten Bedingungen gearbeitet werden musste. Später wollte sie die neuen Knochenschneider – es waren eher Äxte als chirurgische Instrumente – an die Zuhörer verteilen. Kalvi hatte sie mitgebracht.
»Das beste chirurgische Schneidewerkzeug, das wir bis jetzt herstellen konnten, Corey«, hatte er nicht ohne Stolz verkündet. »Ich ließ es im Schlachthof testen. Sie gehen durch Muskeln und Knochen wie durch Käse. Aber man muss sie nach Gebrauch wieder schärfen. Und für die Klingen habe ich Schutzhüllen angefertigt, damit sich nicht jemand aus Versehen die Finger absäbelt.«
Ärzte waren wohl nicht die einzigen mit einem Sinn für makabren Humor, fand Corey.
In der Zwischenzeit demonstrierte Kalvi in der Großen Halle von Burg Fort, wo Lord Paulin in der ersten Reihe saß, den künftigen Boden-Crews den Gebrauch und die Wartung der HNO3-Zylinder. Er führte vor, wie die Einzelteile zusammengesetzt wurden und gab eine Auflistung all der Probleme, die bei der Anwendung auftreten konnten. Jeder Gemeindevorstand, selbst aus den kleinsten Ansiedlungen innerhalb des Verwaltungsbereichs von Fort, war zugegen. Viele hatten ihre älteren Kinder mitgebracht. Ausnahmslos war man über Land angereist, zu Fuß oder zu Pferd. Der Fort-Weyr, wie auch die anderen fünf Drachenhorte, hatte seinen Transportdienst für private Zwecke so gut wie eingestellt. Lord Paulin verstand diese Einschränkung und hielt sie für richtig.
»Wir haben es viel zu leicht gehabt, indem wir die Drachen benutzten wie unsere Vorfahren ihre Luftschlitten und andere flugtaugliche Vehikel«, hatte er einem seiner Pächter erklärt, als dieser monierte, man habe ihm einen Drachenritt verweigert. »Unsere Pferde sind nicht nur dazu da, um dem Galopprennsport zu frönen. Und die Drachenreiter waren viel zu nachgiebig und gefällig. Uns allen wird es gut tun, wenn wir uns wieder auf Fußmärsche besinnen oder uns zur Abwechslung mal in den Sattel schwingen. Ich nehme an, Sie alle haben bereits die Stallungen erweitert, um dem Viehbestand Schutz zu gewähren?«
Dieser Vorschlag war nicht auf viel Gegenliebe gestoßen, und allgemein wurden Klagen laut, die Ingenieure hätten sich eifriger bemühen müssen, um jene praktischen Steinschneider zu replizieren, mit denen die ersten Siedler ihre Höhlenwohnungen in den Felsmassiven nach ihren Vorstellungen vergrößert hatten.
Mit einem Achselzucken tat Kalvi die Beschwerden ab.
»Wir haben eine Liste von Prioritäten; Steinschneider herzustellen, gehört nicht dazu. Es wäre auch völlig unrealistisch, dies zu versuchen. Im
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