Die Drachenschwestern
herrschte noch immer dieselbe gähnende Leere wie gestern und die
Tage davor. In ihrem Postfach sah es ähnlich aus. Keine E-Mails mit einem neuen
Auftrag. Und auch keine E-Mail von Max. Toll. Hm, freie Zeit war ja schön und
gut, nur nützte einem das gar nichts, wenn man die Zeit im Büro verbringen
musste. Sie versuchte nochmals, Max zu erreichen, während sie nervös durch ihr
kleines Büro tigerte. Vergeblich. Nicht einmal der Anrufbeantworter schaltete
sich auf seinem Handy ein. Sie beendete noch die zwei letzten offenen
Produktbeschreibungen. Irgendetwas stimmte nicht, wenn sie ohne Probleme
sämtlichen Papierkram erledigen konnte und absolut nichts mehr pendent war. Im
Normalfall kam man im schnelllebigen Gebiet der Informatik überhaupt nie dazu,
vernünftige Produktbeschreibungen fertigzustellen, da man bereits Hals über
Kopf im nächsten Projekt steckte.
Sie seufzte, gab ihre Wanderung durchs Zimmer auf und setzte sich
wieder vor ihren Rechner. Da sie Max nicht erreichen konnte, musste sie wohl
oder übel in den sauren Apfel beissen und sich direkt bei ihrem unsympathischen
Abteilungsleiter melden, um ein neues Projekt zugeteilt zu bekommen. Sie drang
genau bis ins Vorzimmer ihres „Chefchefs“ durch, bei seiner Assistentin blieb
sie hängen. Genervt legte sie den Hörer zwei Minuten später auf. Sie solle sich
per E-Mail melden und den neuen Auftrag elektronisch im Auftragsordner in
Empfang nehmen.
Danke vielmals, dann kann ich mir jetzt ja auch selber eine Beschäftigung
suchen. Ruhelos sprang sie wieder auf, als plötzlich Lance vor ihr stand. Da
sie sein unbemerktes Aufkreuzen zu allen möglichen und unmöglichen Zeiten
inzwischen gewohnt war, hielt sie sich gar nicht erst damit auf, erstaunt zu
wirken sondern begann gleich, ihre Frustration an ihm auszulassen.
„Schönes Leben, das du da hast. Einfach auf-und abtauchen wann und wo
es dir passt, keine Verpflichtungen, freien Zugang zu Spirituosen…“.
Lance bremste ihren Redeschwall, indem er ihr ein Paket Karten unter
die Nase hielt. „Lust auf eine Partie Mau-Mau?“, fragte er, ohne auf ihre
Anschuldigungen einzugehen.
Solchermaßen entwaffnet musste Kaja lachen und ein Teil der Anspannung
wich. „Mau-mau! Das habe ich ja ewig nicht mehr gespielt.“
„Umso besser für mich“, grinste Lance. „Dann merkst du vielleicht
nicht, wenn ich schummle.“
„Du schummelst?“
„Alle Drachen schummeln! Das gehört zum Drachendasein, wie für euch
Menschen das Atmen.“
„Oh, so schlimm?“
„Lass uns
anfangen“, meinte Lance, der diese Diskussion offensichtlich nicht vertiefen
wollte.
Knapp nach halb eins traf Kaja ein wenig außer Atem und um einiges
besser gelaunt als noch vor zwei Stunden am abgemachten Treffpunkt ein. Thea
wartete schon, ein Kebab und ein Falafel in der Hand. „Hier, ich habe euch
Raubtieren etwas Gutes mitgebracht“, kommentierte Thea und überreichte ihr den
Kebab.
„Danke, das riecht
himmlisch!“
„Du kommst spät,
hast du so viel Arbeit?“
„Arbeit? Nein im Gegenteil, ich äh, musste mir die Zeit mit...“,
fieberhaft dachte Kaja nach, „mit Solitaire vertreiben.“ Uff, man musste schon
auf Zack sein, wenn man Zeit erklären wollte, die man mit einem Drachen
verbrachte.
Diesmal setzten sie sich auf eine Bank in einem kleinen Park, ganz in
der Nähe vom Büro. Thea, die von Natur aus neugierig war, wollte zwischen zwei
Bissen Falafel dringend wissen, was Kaja diesmal auf dem Herzen hatte.
„Mm, du erinnerst dich doch noch an unser letztes Gespräch?“, brachte
Kaja mit dem Mund voll knapp heraus.
„Ja, genau.“
„Wir hatten doch darüber diskutiert, wem ähnliches passiert ist, wie
mir. Hast du da schon was rausgefunden?“
Thea nahm sich diesmal die Zeit, runterzuschlucken und einen Schluck
Wasser zu trinken. „Ja, das habe ich tatsächlich und ich war überrascht, wie
viele es dann schlussendlich waren, als ich eine Liste zusammengestellt hatte.
Wenn man es so tröpfchenweise hört, mal hier mal da etwas, dann kommt schnell
das Gefühl auf, es seien Einzelfälle.“
„Auf wie viele
bist du denn schlussendlich gekommen?“, wollte Kaja gespannt wissen.
„Auf zwölf.“
„Zwölf?! Aber das
sind ja…“
„... über ein Drittel der alten PC-Lux-Solutions-Besatzung.“
„Das wäre meine nächste Frage gewesen. Bei wem waren die, ich nenne
sie jetzt mal Opfer, auch wenn ich diese Bezeichnung nicht mag, ehemals
angestellt?“
„Opfer ist schon das richtige Wort“, bekräftigte
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