Die Drachenschwestern
das?“, fragte sie kopfschüttelnd, musste
sich aber ein Grinsen verkneifen. Sie klappte ihr Handy auf, ein verpasster
Anruf. Wer, um Himmels willen, wer rief sie so früh am Morgen an? Sie drückte
eine Taste, um die Liste der verpassten Anrufe zu sehen. Simon. Das musste ja
wichtig sein. Sie drückte eine weitere Taste und hielt das Telefon ans Ohr um
seine Nachricht auf dem Anrufbeantworter abzuhören.
„Hey Kaja, hoffe, ich habe dich nicht geweckt! Hör zu, ich bin da an
etwas dran, deshalb meistens unterwegs. Falls du mich erreichen willst, kannst du
das unter dieser Nummer.“ Er ratterte eine Nummer herunter, während Kaja wie
wild gestikulierte, in der Hoffnung, Lance würde einen Stift und Papier
auftreiben. Ein hoffnungsloses Unterfangen. Es ging schon weiter im Text. „…
falls du irgendeinen Vorgesetzten hast, dem du vertraust, wär es toll, wenn ich
diesem ein paar Fragen stellen könnte. Also dann, du weißt ja jetzt, wie du
mich erreichen kannst.“
Die Mitteilung war zu Ende und Kaja trennte die Verbindung. Seufzend
richtete sie sich auf und streckte ihren Rücken durch. Ganz ohne Nachwirkungen
war der gestrige Champagnergenuss wohl doch nicht. Sie würde die Nachricht
nachher gleich nochmals abhören und die neue Nummer von Simon aufschreiben. Sie
war jetzt definitiv wach, also beschloss sie, gleich aufzustehen und sich erst
mal Kaffee aufzubrühen. Vielleicht wurde sie dann schlau aus Simons kryptischem
Text.
Eine halbe Stunde später saß sie, bereits angekleidet, um ins Büro zu
gehen, am Küchentisch, vor sich einen Becher dampfenden Kaffees. Die Nummer
hatte sie fein säuberlich auf einen Block geschrieben. Darunter hatte sie eine
Liste der dringendsten Fragen aufgelistet:
1. Wer hat die Fusion der beiden Firmen initiiert?
2. Wer könnte die Details der damit zusammenhängenden Verträge kennen?
3. Gibt es noch andere Angestellte, welche in letzter Zeit ähnliches erlebt
haben?
4. Zu welcher Firma haben sie ursprünglich gehört?
5. Wo ist Max???
Max war der einzige Vorgesetzte, der Kaja im Zusammenhang mit dem Wort
„Vertrauen“ in den Sinn kam. Nur nutzte ihr diese Erkenntnis herzlich wenig,
wenn sie keine Ahnung hatte, wie sie ihn erreichen konnte. Sie stand auf und
goss sich eine weitere Tasse Kaffee ein. Die dampfende Flüssigkeit in der Hand
lehnte sie sich an den Herd und blickte zu Lance hinüber, der sich bestens mit
seinem Holunderschnaps und einer Partie Patience amüsierte.
„O du großer weiser Drache, hast du vielleicht irgendwelche Ideen, wie
ich Max finden könnte?“
„Hä?“
Geistesabwesend blickte Lance auf. „Sprichst du mit mir?“
„Nein, mit all den anderen hundert Drachen die hier sind“, antwortete
sie ironisch. „Logisch spreche ich mit dir. Würde ich zumindest. Wenn der Herr
nicht schon am Morgen früh zu beschäftigt wäre, um sich um meine trivialen
Probleme zu kümmern.“
„He, ich war doch derjenige, der eine Ladung kaltes Wasser abbekommen
hat beim Aufwachen. Was ist denn deine Rechtfertigung für deine plötzliche schlechte
Laune?“, beschwerte sich Lance.
„Ich mache mir Sorgen um Max! Und außerdem habe ich einen leichten
Kater. Nicht schlimm, aber genug spürbar, um eine latent vorhandene schlechte
Stimmung auszulösen. Und überhaupt. Ich brauche keine Rechtfertigung. Du hast dir
das schließlich selber ausgesucht, mir nicht mehr von der Seite zu weichen. Wie
sagt man so schön? Mitgegangen, mitgehangen.“ Jetzt musste sie doch grinsen.
„Jaja, was weißt du schon über Bestimmung“, maulte der Drache.
„Ich werde wohl bald mehr wissen, wenn das alles stimmt, was du mir
über meine Schwestern und mich erzählt hast.“ Sie schnitt eine Grimasse.
„Wenigstens das ist ein Lichtblick, Miri kommt heute Abend.“
„Das hast du mir
ja gar nicht erzählt?“
„Aber ich erzähl
es dir jetzt“, meinte Kaja knapp.
„Heißt das, ich
werde heute Abend wieder mal in die Verbannung geschickt?“
„Ja, ich denke heute Abend wirst du wie so oft irgendwo in einem Hauseingang
oder unter einer Brücke schlafen müssen“, zog sie ihn auf. Als sie Lance‘
gekränkten Blick sah beeilte sie sich hinzuzufügen: „Von mir aus kannst du
gerne hier sein. Ich bin sicher, Miri wird sich freuen, dich kennen zu lernen.“
„Echt?“ Der Drache schien sich ehrlich zu freuen. Aufgeregt fing er
an, zwischen Wohnzimmer und Küche hin und her zu flitzen, während er
unverständliche Dinge vor sich hin murmelte.
„Versteh mich richtig, ich
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