Die Drachenschwestern
die Hand hinstreckte.
Meine Liebe? Dringend sprechen? Geflissentlich übersah Kaja seine
ausgestreckte Hand und versuchte angestrengt, sich ihre Irritation nicht anmerken
zu lassen. Was wurde denn hier gespielt?
„Abwarten und Tee schlürfen, wie der Engländer sagen würde“, flüsterte
Lance Stimme im Kopf.
„Trinken“,
verbesserte Kaja automatisch. „Was machst du denn hier?“
„Ich habe gedacht,
ich leiste dir ein wenig Schützenhilfe. Hier scheint etwas faul zu sein.“
Kaja war erleichtert. „Ich bilde mir das also nicht nur ein?“,
antwortete sie telepathisch. „Ich komme mir gerade vor wie der sprichwörtliche
Wurm am Angelhaken. Das gefällt mir gar nicht.“
„Kaja, Kaja. Ich muss gestehen, Ihr Verhalten erstaunt mich doch ein
wenig, nachdem Ihre Qualifikationen, die Ihnen Ihr Vorgesetzter bescheinigt hatte,
so ausgezeichnet sind. Aber vielleicht haben Sie da ja ein wenig auf die
bewährte Art und Weise nachgeholfen?“, meinte er in zweideutigem Tonfall und
zwinkerte ihr auf unangebrachte Weise vertraulich zu.
Kaja war wie vor den Kopf geschlagen. Als sie keine Anstalten machte,
auf seine schmierigen Andeutungen einzugehen, kippte seine Stimmung
augenblicklich. Verärgert sagte er: „Schließlich würde das erklären, weshalb
sie Max mit Telefonanrufen verfolgen!“
„Ist es jetzt etwa schon verboten, seinen Vorgesetzten anzurufen?“,
fragte sie, sichtlich irritiert, während ihr die Frage durch den Kopf schoss,
woher er das überhaupt wusste. Hatte sich Max etwa beschwert? Das konnte sie
sich nicht vorstellen. Das wäre in der Tat sehr interessant zu wissen,
bestätigte ihr Lance lautlos. Offenbar glaubte er auch nicht, dass Max hinter
diesen Anschuldigungen steckte.
„Natürlich ist das nicht verboten. Allerdings ist es schon etwas
aussergewöhnlich, dies auf einer privaten Handynummer zu tun, während der
Betreffende auf Fortbildung weilt. Ich glaube kaum, dass seine Frau erfreut
wäre, das zu erfahren.“ Das wurde ja immer spannender. Kaja wusste genau, das
Max nicht verheiratet war. Sie wollte gerade etwas dazu sagen, als Lance
warnend ihren Arm drückte.
„Warte erst mal ab, vorauf das hinaus läuft. Du musst ja nicht gleich
alle Karten auf die Tafel legen.“
„Tisch – aber du hast recht“, stimmte sie ihm zu und ließ sich nichts
anmerken. Offenbar hatte der Abteilungsleiter nichts von ihrem telepathischen
Austausch gemerkt und fuhr ungebremst in seinem Monolog fort. „Umso
unverständlicher ist dieses Verhalten, wenn man bedenkt, dass Sie gerade erst
eine Verwarnung wegen sexueller Belästigung erhalten haben.“
Kaja spürte, wie das Blut an ihrer Halsschlagader zu pulsieren begann
und in ihren Ohren rauschte es verdächtig.
„Tief durchatmen“, wies der Drache sie eindringlich an. Kaja atmete
aus und versuchte sich innerlich von dieser ganzen beschissenen Situation zu
distanzieren und bekam gerade noch das Ende des Vortrages mit.
„Deshalb sehen wir keine andere Möglichkeit, als Sie mit sofortiger
Wirkung zu entlassen. Natürlich bedauern wir es, jemanden mit Ihren Fähigkeiten
zu verlieren, aber Ihr Verhalten lässt uns keine andere Wahl. Wenn man es genau
nimmt, ließ die Qualität Ihrer Arbeit in letzter Zeit sowieso deutlich nach“,
schloss er mit einem hämischen Grinsen.
Kaja kontrollierte mit grösster Mühe ihren Zorn. Dass sie immer noch
keine sichtbare Reaktion zeigte, schien den Abteilungsleiter nun doch zu
irritieren.
„Haben Sie denn
gar nichts dazu zu sagen?“
„Wo ist Max?“, fragte sie mit zusammengebissenen Zähnen, die einzige
klar formulierte Frage, welche ihr Gehirn im momentanen Zustand produzierte.
Kopfschüttelnd sah sie der unangenehme Mann an. „Ich sehe schon,
dieses Gespräch führt zu nichts. Zwei unserer Sicherheitsleute werden Sie an
Ihren Arbeitsplatz begleiten, wo Sie Ihre persönlichen Sachen zusammenpacken
dürfen.“
Entgeistert
blickte Kaja ihn an. „Sie meinen das tatsächlich ernst!“
„Natürlich meine ich das ernst, was glauben Sie denn?“
„Ah, hier kommt ja bereits ihre Begleitung, wenn Sie mich jetzt
entschuldigen würden, ich habe noch zu tun.“
Fassungslos blickte Kaja den zwei eintretenden Sicherheitsleuten
entgegen, die auf sie zukamen.
„Wenn Sie bitte mitkommen würden?“, sagte der eine nicht unfreundlich,
allerdings in einem Tonfall, der klar machte, dass es weniger eine Bitte als ein
Befehl war.
„Was soll ich denn
jetzt tun?“, flüsterte sie ihrem Drachen zu.
„Mitspielen,
Weitere Kostenlose Bücher