Die Drachenschwestern
und der Hund
konnte sich nach Lust und Laune austoben. Kaja war froh, dass sie ihre dicke
Jacke angezogen hatte. Trotz der Sonne war es durch den Wind empfindlich kalt.
Sie beobachtete ein paar Enten, die in Paaren auf dem Wasser schwammen. Ob Tim
heute Abend wohl auch mitkam, wenn sie sich mit Simon traf?
Du bist schon eine doofe Kuh. Wie wenn du im Moment nicht schon genug
um die Ohren hättest, auch ohne romantische Verstrickungen, schalt sie sich
selbst. Sie war schon gespannt, was das Treffen heute Abend ergeben würde. Auch
war sie neugierig, in welche Richtung sich ihr Leben sonst entwickeln würde. Als
die Worte des Abteilungsleiters schlussendlich zu ihr durchgedrungen waren, das
war ungefähr zu dem Zeitpunkt, als sie ihr Büro räumen musste, war ihre erste
Reaktion gewesen, sich heute Nachmittag gleich zu Hause hinzusetzen und
Bewerbungen zu schreiben. Stattdessen hatte sie sich von ihrem Hund zu einem
Ausflug hinreißen lassen.
Ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, als sie Zorro bei einer seiner
ergebnislosen Verfolgungsjagden nach den Enten beobachtete. „Fall nicht wieder
ins Wasser“, rief sie ihm übermütig zu. Als Welpe hatte er sich auf diesem See
einmal voller Tatendrang auf den zugefrorenen See gewagt. Und war prompt im Eis
eingebrochen. Zum Glück war er damals noch so klein, dass sie ihn mit einiger
Mühe am Nackenfell aus dem eisigen Wasser fischen konnte. Aber jetzt war ja
erst Herbst und von Eis keine Spur.
Kaja war froh, dass sie jetzt nicht zu Hause saß und kopflos Bewerbungen
schrieb. Sie wollte erst einmal versuchen herauszufinden, was sie denn jetzt
machen wollte. Wieder einen vergleichbaren Job, zumindest inhaltlich, wie
bisher? Oder etwas ganz anderes? Sie schüttelte den Kopf, sie wusste es einfach
nicht. Kaja hatte das unbestimmte Gefühl, dass die ganze Aufregung für die Katz
gewesen wäre, wenn sie einfach so weiter machen würde, wie bisher – bis zum
nächsten Ärger.
Sie seufzte. Vielleicht sollte sie noch einmal Mémé besuchen.
Allerdings wusste sie auch ohne dahin zu fahren, was sie ihr sagen würde: Finde
heraus, was dir wichtig ist und tue es….
„Und? Was möchtest
du gerne machen?“, meldete sich der Drache zu Wort.
„Ich dachte ich schreibe eine Autobiographie über mich und mein Leben
mit meinem Drachen“, antwortete sie“, ohne eine Miene zu verziehen.
„Ha ha, sehr
witzig!“
„Und ich dachte
schon, es würde mir gelingen, dich ein einziges Mal in die Irre zu führen!“
„Da musst du dir aber schon etwas mehr Mühe geben“, antwortete Lance
lachend. „Rede doch mal mit Miri darüber“, schlug er vor.
„Mit Miri?“
„Ja, mit Miri, du
siehst sie doch morgen.“
„Ja, schon. Ich weiß
nur nicht, ob sie das so brennend interessiert.“
„Sie ist doch deine Schwester. Deine Drachenschwester. Und für so etwas
sind Schwestern doch da.“
„Hm, ja. Und wieso
findest du das eine gute Idee?“
„Hm, sagen wir es so. Mit mir kannst du nicht darüber reden. Ich gebe dir
vermutlich in etwa dieselbe Antwort, die du von Josephine kriegen würdest. Und
Miri hilft dir vielleicht, mal endlich das Chaos in deinem Inneren zu ordnen.“
„Chaos, ja?“, brummelte sie. „Okay, vielleicht hast du recht. Dann
kann ich mich ja heute Abend ganz darauf konzentrieren, die Welt zu retten“,
meinte sie theatralisch.
Sie war aus unerfindlichen Gründen nervös. Nachdem sie am Nachmittag
nach Hause gekommen waren, hatte sie sich eine lange Dusche gegönnt, sich die
Haare gewaschen und geföhnt, neues Makeup aufgelegt und hin und her überlegt,
welche Jeans sie anziehen sollte. Während alldem hatte sie sich mehr oder
weniger erfolgreich eingeredet, sie würde einfach den unverhofft freien
Nachmittag für eine längst überfällige Beauty-Session nutzen und dass ihre
ganzen Aktionen überhaupt nichts mit der Möglichkeit zu tun hatten, dass heute
Abend eventuell Tim auftauchen könnte. Das hatte leider nicht ganz geklappt.
Was auch nicht wirklich geholfen hatte, war der herumlungernde Drache, der
sowieso schon eingeschnappt war, dass sie ihn heute Abend nicht mitnehmen
wollte, Zorro hingegen schon und deshalb die ganze Zeit bei jeder passenden
Gelegenheit mit einem verächtlichen Schnauben ein „wer’s glaubt“ zum besten
gab.
Punkt acht Uhr läutete es an der Tür. Das müssen Simon und hoffentlich
auch Tim sein. Sie schlüpfte in ihre alte abgetragene und heißgeliebte
Lederjacke, schnappte sich Zorros Leine und verließ mit dem Laptop unter
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