Die Drachenschwestern
gebe ich den
Einheimischen auf alles, was ich verkaufe, auch auf Essen und Getränke, zehn
Prozent Rabatt. So bin ich sehr saisonunabhängig und habe den Laden mittags
immer voll. Das zieht dann auch Passanten an, wenn so ein Trubel herrscht. Im
Winter habe ich vor, den Laden zwei Monate zu schließen. Ich will in dieser
Zeit herumreisen, um auszuspannen und zu malen.“
Einen Moment lang saßen die drei schweigend im Schatten der
wunderschönen Bäume. Jeder hing seinen Gedanken nach. Zorro lag schlafend unter
dem Tisch. Ab und zu zuckte er mit dem Fell, wenn die Fliegen zu aufdringlich
wurden.
„Wie schön!“, seufzte Kaja. „Ich finde es immer toll, wenn Menschen ihre
Träume verwirklichen!“
„Aber Kind, das klingt ja reichlich frustriert! Was sind denn deine
Träume? Du brauchst nur ein wenig Mut und Durchhaltewille und musst deinen
Träumen vertrauen!“, sagte Alice.
„Wenn das nur so einfach wäre. Im Moment weiß ich gar nicht, was meine
Träume einmal waren oder sind...“ Sie verstummte.
Mémé, die merkte, dass Kaja schon mehr von sich preisgegeben hatte als
sie wollte, stand auf und meinte: „Wir müssen noch weiter, unsere Verteiltour
hat ja erst begonnen. Vielen Dank für die Geschichte und den Kaffee.“
„Ja, danke“, sagte Kaja und warf Mémé einen dankbaren Blick zu, „wir
kommen bestimmt noch mal wieder, solange ich da bin.“
„Nichts zu danken. Ich hab mich über euren Besuch gefreut und dass ich
dich wieder einmal getroffen habe. War ja schon eine Ewigkeit her.“
Sie kauften noch ihr Frühstück und verließen den Laden mit zwei
Büchsen Orangensaft, einer großen Flasche Wasser und einer frisch gefüllten
Tüte voller Pains au Chocolat. Ihre Tour führte sie durch die umliegenden
Dörfer und sie trafen auf allesamt zufriedene Ladenbesitzer, von denen die
meisten gleich neue Bestellungen aufgaben, darunter auch etliche Spezialwünsche
von Stammkunden. Die Stammkundschaft setzte sich mehrheitlich aus Einheimischen
zusammen. Aber auch Feriengäste, welche Jahr für Jahr hier ihren Urlaub
verbrachten und Josephines Produkte sehr schätzten, zählten dazu.
Sie verließen den letzten Laden, als Kaja staunend zugab: „Ich hätte
nie gedacht, dass die Idee mit diesen Geschenksets so großen Anklang findet.“
Mémé parkte den Wagen im Schatten einiger Bäume am Ufer der Vidourle.
Sie hatten ihre Tour in Sommières beendet, wo sich Josephine auf dem bekannten
Kräutermarkt mit einigen Kräutern eindeckte, die ihr entweder ausgegangen
waren, oder die sie selber nicht anpflanzte. Da die Kräuterhändler sie
natürlich alle kannten, hatte ein großes Hallo geherrscht und alle wollten von
ihr wissen, ob ihre Enkelin denn für länger hier sei. Einerseits ein schönes
Gefühl, so in einer Gemeinschaft willkommen zu sein, aber auch anstrengend.
Kaja fühlte sich, als hätte sie einen Marathon hinter sich.
„Lass uns hier essen, ich bin schon wieder am verhungern“, schlug Mémé
vor. Sie suchten sich eine Stelle, welche nicht ganz in der prallen Sonne lag
und setzten sich auf einen großen Stein, von wo aus sie ihre Füsse bequem ins
erfrischende Wasser baumeln lassen konnten. „Ja“, nahm die Großmutter den Faden
wieder auf, als sie es sich bequem gemacht hatten. „Es ist wirklich ein voller
Erfolg. Wenn ich im Winter jeweils nicht so viel herstellen könnte, würde ich
mit der Produktion kaum nachkommen. Und da ich mich vorwiegend auf einheimische
Düfte beschränke und diese selber anpflanze, habe ich sehr geringe Kosten und
verdiene dementsprechend gut daran. Dadurch, dass ich jetzt nicht mehr nur auf
dem Markt und bei mir zu Hause verkaufe, sondern ein richtiges Verteilernetz
habe, erreiche ich viel mehr Leute.“
„Ich find es toll“, freute sich Kaja. „Ich bin froh, du hast dir
endlich ein gutes und gesichertes Einkommen erarbeitet.“
Das war nicht immer so gewesen. Kaja erinnerte sich noch gut daran,
wie hart Mémé früher gearbeitet hatte. Oft hatte sie die Menschen in der
Umgebung kostenlos beraten. Und die Verkäufe auf dem örtlichen Markt liefen
zwar schon früher gut, aber der fand nur an drei Tagen der Woche statt und
hatte ein relativ kleines Einzugsgebiet. Kajas Eltern schickten regelmäßig
Schecks, um die Kosten ihrer Tochter zu decken. Aber Kaja hatte trotzdem
gemerkt, dass sich ihre Großmutter ständig Sorgen gemacht hatte, ob das Geld
wohl reichen würde. Vor allem, wenn unvorhergesehene Dinge passierten, wie zum
Beispiel der Sturm, der das halbe
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