Die Drachenschwestern
von gelben und orangenfarbenen Stoffbahnen. Die geschickt
angebrachte, indirekte Beleuchtung ließ den Raum hell und luftig wirken. In
einer Ecke war ein großer Gletscherfindling platziert, auf dem eine einzelne große
Kerze brannte, die Kaja als eine von Mémé erkannte. Die Kerze füllte den Raum
mit dem für diese Gegend typischen Duft nach Lavendel und Rosmarin, ohne
aufdringlich zu wirken. Das hatte Kaja schon als Kind an Mémés Kerzen so
bewundert. Ganz sanft und unbewusst wurde man von den Düften in verschiedene
Stimmungen versetzt, und man fühlte sich augenblicklich wie in den Ferien.
Schräg gegenüber vom Eingang führte ein Rundbogen in einen kleineren Raum.
Dicht gedrängt standen dort einfache, hölzerne Regale, gefüllt mit
Kunsthandwerk und allerlei Spezialitäten aus der Region. Zusätzlich befand sich
dort auch eine kleine Theke mit einer Glasvitrine. In dieser warteten frische
Salate, Tapas und köstliche Kuchen. Hungrige Besucher konnten die
Köstlichkeiten entweder mitnehmen oder draußen im Hinterhof unter den großen Platanen
genießen.
Kaja trat näher an die Bilder heran, um sie besser betrachten zu
können. „Mémé“, rief sie aus, „das sind ja alles Motive aus der Gegend. Hier ist
die alte Mühle am Bach, wo ich gestern Abend war. Und hier die berühmte Kathedrale
in Uzès. Und Lucs Werkstatt… Wow, und hier sind, wenn mich nicht alles täuscht,
Sehenswürdigkeiten aus ganz Frankreich versammelt, Wahnsinn!“
„Freut mich, dass dir meine Bilder gefallen“, ertönte eine Stimme
hinter ihr. Kaja schnellte herum.
„Madame Bouvar! Haben Sie die etwa gemalt? Sie sind unglaublich schön,
so detailgetreu und doch von einer Leichtigkeit…“
„Nenn mich ruhig Alice“, bot sie Kaja an. „Ja, die Bilder sind von
mir. Hättest du mir gar nicht zugetraut, was? Na ja, ist ja auch kein Wunder,
so wie ich früher aufgetreten bin, als mein Mann noch lebte.“ Sie seufzte bei
der Erinnerung daran und man sah ihr die Erleichterung an, dass sich das jetzt
geändert hatte. „Kommt, wir setzen uns in den Garten, ich mache uns Kaffee.“
„Wie ist denn die Idee zum Café des Arts entstanden?“, fragte Kaja
neugierig.
„Die Idee dazu schlummerte schon lange in mir. Gemalt habe ich schon
in meiner Jugend. Ich war fasziniert von Orten, Gebäuden und Plätzen, ihren
Geschichten und den Menschen, die sie geprägt hatten..“ Sie machte eine kleine
Pause, wie um ihre Gedanken zu ordnen. „Na ja, nach meiner Heirat merkte ich
allerdings bald, dass Paul, mein Mann, nicht viel von meinem Gepinsel, wie er
es nannte, hielt. Und von meiner Idee, den heruntergekommenen Laden zu
renovieren, auch nicht. Den Vorschlag, eine kleine Galerie zu integrieren habe
ich wohlweislich für mich behalten, das hätte sowieso nichts gebracht. All die
Jahre über habe ich nur heimlich gemalt und natürlich aus diesem Grund
vorwiegend Objekte und Plätze aus der Gegend. Als er letzten Winter gestorben
ist und ich den ersten Schock über die großen anstehenden Veränderungen
überwunden hatte, entschloss ich mich, es einfach zu wagen und meinen Traum zu
verwirklichen“, erzählte Alice.
„Mémé meinte, dein Unternehmen sei ein Riesenerfolg – was ist dein
Geheimrezept?“, forschte Kaja weiter nach.
„Ich denke, das habe ich verschiedenen Dingen zu verdanken. Zum ersten
kennen mich die Leute hier schon seit langem. Einige der Alteingesessenen haben
sich zwar erst darüber aufgeregt, dass ich etwas komplett Neues aus dem alten
Tabac gemacht aber inzwischen haben sich die meisten daran gewöhnt.“
„Hattest du nicht
Angst, dass die dein neues Unternehmen boykottieren würden?“
„Nein, ich hab sie einfach ignoriert. Es handelte sich mehrheitlich um
unsere wenigen Stammkunden, die einen ganzen Morgen lang ihr Bier tranken und
mit Paul geschwatzt haben oder vor dem Spielautomaten gesessen sind. Nur konnten
wir von denen schon damals kaum leben. Ich wollte mir eine frische Kundschaft
aufbauen. Und mein Geheimrezept“ schmunzelte Alice, „wie du es genannt hast,
ist, dass ich es geschafft habe, Touristen sowie die Einheimischen gleichermaßen
anzusprechen. Da sich unter meinen Bildern auch viele Plätze und Orte aus der
Umgebung finden, spricht das auch die hiesigen Leute an. Viele freuen sich, ihr
Häuschen oder einen Lieblingsplatz auf einem Bild zu entdecken und kaufen es
dann. Die Urlauber hingegen können zwischen Motiven von bekannten
Sehenswürdigkeiten oder regionalen Sujets wählen. Zusätzlich
Weitere Kostenlose Bücher