Die Drachenschwestern
dass
sie nicht so groß wie Zorro ist“, stellte Kaja fest.
Sierra schmunzelte. „Das stimmt. Fahr los, einfach die Straße runter.“
Kaja warf Sierra einen Blick zu, die ihrerseits nervös zum Haus
schaute. „Ist was?“, fragte sie, während sie den Motor anließ und geschickt
rückwärts auf die Straße fuhr.
„Nein“, antwortete Sierra ausweichend. „Ich hatte nur mit Markus eine
Meinungsverschiedenheit über die Dringlichkeit dieser Besichtigung.“
„Naja, kann ich irgendwie verstehen. Schließlich suche ich noch gar
nicht lange und ihr habt übermorgen diese Party…“ gab Kaja schuldbewusst zu.
„Das ist nicht der Punkt. Mir war es wichtig, dass du es so schnell
wie möglich siehst. Ich habe meine Gründe.“ Sierras Gesicht war verschlossen
und sie schaute konzentriert aus dem Fenster der vorbeirauschenden Landschaft
nach.
Kaja wusste nicht so recht, was sie sagen sollte, also ließ sie es
einfach bleiben. Es war kein unangenehmes Schweigen. Ab und zu wurde es von
einer Richtungsanweisung unterbrochen.
Nach etwa fünfzehn Minuten brach Sierra die Stille. „Wir sind gleich
da. Ich habe keine Ahnung, ob dir das nicht zu sehr am ‚Arsch der Welt’ ist.
Mir persönlich gefällt es sehr gut, aber ich war schon immer ein wenig der Typ ‚Einsamer
Wolf’.“ Sie fuhren durch ein kleines Dorf. „Hier hat es immerhin einen Bahnhof,
wo stündlich ein Zug fährt, und einen kleinen Lebensmittelladen. Wie lange es
den noch geben wird, weiß ich allerdings nicht“, fügte sie ehrlich hinzu. „Los,
lass uns weiter fahren. Wir müssen noch ein Stück durch den Wald.“
Kaja studierte während der Fahrt die Landschaft herum. Der Wald
bestand hauptsächlich aus hohen Laubbäumen und durch das Herbstlaub und die
kahler werdenden Äste schickte die Sonne ein paar Strahlen. Die Straße führte
gemächlich den Berg hoch. Auf halber Höhe hörte der Wald plötzlich auf und gab
den Blick ins Tal frei. Einige Kühe weideten auf der Wiese und ein paar
vereinzelte Höfe tauchten auf. Bis jetzt gefiel ihr sehr, was sie sah. „Vor dem
ersten Haus geht es scharf rechts rein, eine Schotterstraße.
Kaja bremste ein wenig ab und bog auf den unbefestigten Weg ein. Sie
durchquerten nochmals einen Waldstreifen und dann waren sie endlich da.
„Du kannst den Wagen hier rechts ran stellen. Außer uns kommt sowieso
keiner her.“
„Treffen wir uns
hier nicht mit dem Besitzer?“
„Nein. Ich habe mit dem Schlüssel die Erlaubnis bekommen, dich herumzuführen“,
antwortete Sierra. Sie stiegen aus dem Wagen und ließen die Hunde frei. Die
beiden hielten sich ungefähr zwei Sekunden damit auf, sich zu beschnuppern, bis
sie sich, Seite an Seite, daran machten, das Grundstück zu erkunden.
Erst jetzt schaute sich Kaja richtig um. „Das ist ja Wahnsinn, diese
Lage. Wie eine kleine Hochebene.“ Rund um sie herum erstreckten sich ungemähte
Wiesen, eingezäunt durch einen lotterigen Stacheldrahtzaun.
„Komm, lass uns den Rest ansehen. Ich befürchte, der Ausblick ist das
einzige Intakte“, meinte Sierra und schnitt eine Grimasse. Sie schob zwei
brüchige Stangen, die wohl das Tor darstellen sollte, beiseite und ging
hindurch. Kaja riss sich von der tollen Aussicht los und folgte ihrer Freundin.
„Was ist Sierra
eigentlich für ein Name?“, wollte Kaja wissen.
Diese lächelte ein wenig verlegen. „Meine Eltern waren während der
Flitterwochen in Amerika und haben offenbar in der Sierra Nevada oder zumindest
dort irgendwo in der Nähe eine denkwürdige Nacht zusammen verbracht.“ Sie
drehte sich zu Kaja um. „Der Legende nach soll ich damals gezeugt worden sein.“
„Wie romantisch“,
lachte Kaja.
Sierra seufzte, aber ihre Augen blitzten liebevoll. „Meine Eltern sind
die größten Romantiker, die es gibt. Immer noch. Seit mehr als Dreißig Jahren.“
Jetzt war ein wenig Wehmut in ihrer Stimme zu hören. Sie fing sich jedoch
schnell wieder und besann sich auf ihre Rolle als Fremdenführer. Kaja und Sierra
standen vor einem kleinen Backsteinhaus, dem die Hälfte des Daches fehlte und das
einige zerbrochene Fenster aufwies. Wilder Wein hatte sich um die Mauern
gerankt, und so wie es aussah, auch einen Weg ins Innere gebannt.
„Das hier gehört dazu. Ich weiß nicht, was seine ursprüngliche Aufgabe
war, aber mit etwas Arbeit ließe es sich bestimmt in ein nettes Gästehäuschen
umwandeln.“
Neugierig warf Kaja einen Blick durch eines der zerbrochenen Fenster.
„Können wir uns trotzdem kurz drinnen
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