Die Drachenschwestern
sein. Sie verdrängte diese Gedanken aus dem
Kopf und öffnete die Teamagenda auf ihrem Rechner, um herauszufinden, ob ihr
Chef da war. Offensichtlich war gleich jetzt ein guter Zeitpunkt, ihn zu
treffen. Wenigstens hatte sie es dann hinter sich, versuchte sie sich selbst zu
trösten. Sie bedeutete Zorro mit einem Handzeichen, dass er hier auf sie warten
solle und machte sich auf in das Büro ihres Chefs.
„Max, hallo, hast du
einen Moment Zeit?“
Ihr Chef blickte auf. Für einen kurzen Augenblick blitzte
Erleichterung in seinen Augen auf, bevor er empört fragte: „Was hast du dir
dabei gedacht, einfach so zu verschwinden, Kaja?! Ich habe x-mal versucht, dich
über dein Handy zur erreichen!“
Sie schwieg betreten. Das hatte sie gestern Abend auch bemerkt, als
sie endlich ihre Mailbox abgehört hatte. Max hatte sie bereits am Tag ihrer
Abreise zweimal angerufen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Nachrichten, die er
hinterlassen hatte noch freundlich und ein wenig von Sorge geprägt gewesen. Sie
verstand sich normalerweise sehr gut mit Max. Er war nicht nur ihr Chef seit
sie bei PC-Lux-Solutions angefangen hatte, sondern auch ihr Mentor. Von ihm
hatte sie mehr Tricks und Kniffe gelernt als während des ganzen Studiums. Die darauf
folgenden Nachrichten waren allerdings immer ungeduldiger geworden und er hatte
noch etwas von Pikettdienst und Verfügbarkeit erwähnt. Doch sie hatte sich
darauf keinen Reim machen können. Schließlich stand ja kein neuer Release an,
oder?
Sie widmete ihre Aufmerksamkeit wieder Max, der sie gerade
anschnauzte: „Erst war ich ja froh, als ich gesehen habe, dass du es gerade
noch geschafft hast, das X3-Programm in die Produktion zu geben. Ich dachte,
wenigstens verzögert sich dieses wichtige Projekt durch deine Abwesenheit
nicht.“
Siedend heiß fiel Kaja ein, dass das X3-Projekt letzte Woche fällig
gewesen war. Das hatte sie völlig verschwitzt.
Max fuhr fort: „Ich wusste ja, du hattest es sicher gründlich
getestet. Doch offenbar war dem nicht so! Die ganze Verarbeitung hat
lahmgelegen und du warst nicht zu erreichen.“
Da sie immer noch komplett verwirrt war, beschränkte sie sich darauf
zu sagen: „Es tut mir wirklich leid, Max, ich habe offensichtlich einfach eine
Auszeit gebraucht, Deshalb habe ich auch vergessen das Handy mitzunehmen.“
Das stimmte zwar nicht ganz, andererseits stimmte hier so einiges
nicht und bis sie wusste, was hier gespielt wurde, spielte sie wohl einfach so
gut es ging irgendwie mit.
„Ich werde mich
sofort daran machen, den Fehler zu suchen und zu beheben.“
Sie konnte sich zwar immer noch nicht erklären, wie das Programm ohne
ihr Zutun in die Produktion gelangt war, aber darum würde sie sich später
kümmern müssen.
„Nicht nötig“, donnerte Max. „Wir haben Herrn Scherrer geholt, der war
ja bis vor kurzem dein Teamkollege. Zum Glück konnte er uns sofort helfen.“
„Frédéric, ausgerechnet ihn musstest du um Hilfe bitten?“ Fassungslos
starrte Kaja ihren Vorgesetzten an.
„Ja meinst du denn, ich hätte das gerne getan? Ich habe es heraus gezögert,
solange ich konnte. Aber ich konnte dich ja nirgends auftreiben. Schließlich blieb
mir keine andere Wahl. Frentzen, der Abteilungsleiter, hat Druck gemacht.“
Zum zweiten Mal innerhalb einer Woche saß Kaja wie betäubt auf ihrem
Stuhl. Fieberhaft überlegte sie, ob sie Max ins Vertrauen ziehen und ihm
erzählen sollte, dass sie das Programm gar nicht in Produktion geschickt hatte.
Nein, erst musste sie selber einen besseren Durchblick haben, entschied sie. Es
würde ihre Position sowieso nicht nennenswert verbessern, wenn sie ein
Versäumnis mit einem anderen entschuldigte, auch wenn der Auslöser ebenfalls
nicht ihre Schuld gewesen war. Nur, für das fehlten ihr ebenfalls die Beweise.
„So, jetzt an die Arbeit“, wies Max sie barsch an. Sie stand auf und
verabschiedete sich. Sie war schon fast bei der Tür, als er sie zurückhielt:
„Kaja, reiss dich ein wenig zusammen, ja? Ich kann dich nicht ewig schützen. Es
weht momentan ein rauer Wind.“ Sie nickte nur wortlos und setzte dann ihren Weg
fort.
Kaja bemühte sich, ihren kochenden Zorn im Zaum zu halten. Das Letzte,
was sie jetzt gebrauchen konnte, wäre ein Computerabsturz. Zorro hob kurz den
Kopf, als sie in ihr Büro trat und schlief dann gleich wieder weiter, beruhigt,
dass sein Frauchen wieder da war. Gut, dachte sie, dann mal auf in den Kampf.
Offensichtlich hatte irgendjemand ohne ihr Wissen das Programm in
Weitere Kostenlose Bücher