Die Drachenschwestern
falls
jemand kommt“, bat sie ihren Begleiter flüsternd.
„Mach ich. Du brauchst übrigens nicht zu flüstern. Denk
einfach das, was du sonst laut sagen würdest. Ich kann deine Stimme genauso im
Kopf hören wie du meine.“
Verblüfft starrte sie ihn an. „Ja, was dachtest du denn,
das sei eine Einbahnstraße?“, fragte er ungeduldig. „Nun mach schon, dann kann
ich heim zu meinem Holunderschnaps!“
Das war ja wiedermal typisch für Lance, regte sich Kaja
auf und wandte sich genervt von ihm ab und ihrer Mission zu. Was genau das war,
was Lance mit seiner flapsigen Bemerkung erreichen wollte.
Sie setzte sich an den Schreibtisch und startete den
Computer. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie von der Maschine
aufgefordert wurde, Frédérics Personalnummer und sein Passwort einzugeben. Als
würde man zuschauen wollen, wie Wasser anfängt zu kochen, kam Kaja plötzlich
als Vergleich in den Sinn. Das dauerte auch immer ewig und drei Jahre. Gebannt
schaute sie auf den Bildschirm und atmete erleichtert auf, als das Login
bestätigt wurde. So, die erste Hürde wäre geschafft. Sie war kurz in
Versuchung, in seinen E-Mails rumzuschnüffeln. Streng rief sie sich selbst zur
Ordnung. Gerade noch rechtzeitig, wie es schien. Als sie ein wenig
schuldbewusst zu Lance hinüber schielte, sah sie ihm an, dass er genau
mitgekriegt hatte, womit sie beinahe ihre knapp bemessene Zeit vertrödelt
hätte. Diese verflixte Standleitung im Kopf zu haben hatte offensichtlich nicht
nur Vorteile, wie sie langsam merkte. Also wandte sie sich wieder den wichtigen
Dingen zu. Sie doppelklickte das Symbol des Testservers auf der
Benutzeroberfläche und meldete sich auch hier problemlos an. Kurz überflog sie die
Liste der hier abgelegten Programme und machte sich auf die Suche nach ihrem
eigenen. Das stellte sich als einfacher heraus, als gedacht, denn Frédéric hatte
sich nicht einmal die Mühe gemacht, einen eigenen Namen für das Programm zu
finden. Nachdem sie den ganzen Nachmittag zu Hause an dem Programm gearbeitet
hatte, fand sie sich schnell wieder in der Codierung zurecht. Als sie die
Stelle gefunden hatte, die sie suchte, steckte Kaja den mitgebrachten
Speicherstift in die dafür vorgesehene Öffnung und kopierte die mitgebrachten
Daten an der richtigen Stelle ins Programm. Die vertraute Arbeit beruhigte ihre
aufgeregten Nerven und sie begann mit den üblichen Vorbereitungen für einen
kleinen Testlauf. Der anschließende Test ergab keinerlei Fehler. Einen großen
Testdurchgang zu starten, wagte sie nicht. Ein solcher hatte immer zusätzliche
Meldeprotokolle zur Folge, die jemandem auffallen konnten. So scrollte sie den
Programmcode noch einmal hinunter und überflog ihn mit geübten Augen. Plötzlich
stutzte sie. Das war doch nicht möglich!
In dem Moment wurde sie von Lance gestört. „Pst, ich
habe ein Geräusch gehört.“
Angestrengt lauschte Kaja einen Moment. Schließlich gab
sie es auf. „Ich höre nichts. Ich muss jetzt weitermachen, so oder so.“
Mit diesen Worten wandte sie sich wieder dem Rechner zu
und hörte nur noch nebenbei, dass der Drache sagte, er wolle sich draußen auf
dem Flur einmal umsehen. Ungläubig starrte Kaja auf den flimmernden Bildschirm.
Dieser Dummkopf hatte nicht mal das Kürzel geändert, welches jeder
Programmierer am Ende jeder Zeile als Kommentar einsetzte, damit
nachvollziehbar blieb, wer was programmiert hatte. Hier stand „KJM – Kaja Josephine
Meyer“. Und bis jetzt war das offensichtlich auch niemandem aufgefallen.
Angewidert von so viel Faulheit und Gedankenlosigkeit gab sie den „Suchen und
Ersetzen“-Befehl ein und ließ automatisch all ihre Kürzel durch Klein-Freddys
ersetzen. So, jetzt war es beinahe geschafft. Sie musste nur noch mit diesem
veränderten Programm den ursprünglichen Quellcode überschreiben. Dafür borgte
sie sich eine der Super User-Identitäten ihrer Freunde beim Support und
entschuldigte sich in Gedanken dafür. Aber sie hatte keine andere Wahl. Anders
fand sie nicht heraus, wo das Original abgespeichert war. Im Nu erschienen die
gewünschten Informationen auf dem Bildschirm, so dass sie die Daten ersetzen
konnte. Sie hatte so konzentriert gearbeitet, dass sie gar nicht bemerkt hatte,
dass ihr Begleiter noch nicht wieder aufgetaucht war. Umso dringlicher vernahm
sie plötzlich seine Stimme in ihrem Kopf.
„Kaja,
pass auf, da kommen zwei Leute.“
Verflucht, dachte sie, ausgerechnet jetzt, wo sie es
fast geschafft hätte. Sie bückte sich, um
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