Die drei Ehen der Grand Sophy
du bist ja ein einsichtiger Mensch. Ich brauche wohl nicht zu sagen, daß ich keineswegs der Fürsprecher einer Ehe bin, die nicht auf gegenseitige Wertschätzung gegründet ist. Solche Ehe könnte wohl schwerlich gut gedeihen! Wenn Cecilia eine Abneigung gegen Charlbury empfindet, wäre es gewiß falsch gewesen, ihr eine solche Heirat aufzunötigen.«
»Wie großmütig!«
»Ich hoffe wohl«, sagte sie ernst. »Es wäre mir nicht lieb, wenn man mir Engherzigkeit gegenüber deinen Schwestern – gegenüber irgendeiner Person deiner Familie vorwerfen wollte! Um ihr Wohlergehen besorgt zu sein, muß wohl eines meiner Hauptziele sein, und ich werde es bestimmt nicht aus den Augen verlieren.«
»Danke«, sagte er tonlos.
Sie spielte nervös mit ihrem Armband. »Du bist geneigt, Miss Stanton-Lacy nachsichtig zu beurteilen, ich weiß, aber du wirst doch wohl zugeben müssen, daß ihr Einfluß sich in diesem Hause nicht immer günstig ausgewirkt hat. Ohne solche Ermutigung hätte sich Cecilia doch wohl anders betragen.«
»Das weiß ich nicht. Du würdest gewiß nicht von einem ungünstigen Einfluß sprechen, wenn du gesehen hättest, wie sie Amabel pflegte und beiden, meiner Mutter und Cecilia, in ihrer Bedrängnis beistand. Das kann ich ihr nicht vergessen.«
»Gewiß wird das auch niemand von dir verlangen. Ihr Verhalten in dieser Notlage will ich gern und vorbehaltlos anerkennen.«
»Ich bin ihr auch dankbar, daß ich jetzt mit Hubert so vertraut stehe. Auch darin hat sie Gutes getan.«
»Nun, in diesem Punkt waren wir doch immer verschiedener Meinung, nicht wahr?« sagte sie mit leisem Spott. »Ich möchte diesen Gegenstand nicht wieder mit dir erörtern und kann nur hoffen, daß Hubert sich weiterhin gut bewährt.«
»Na also! Ich finde sogar, daß er sich für meinen Geschmack zu gut bewährt, denn jetzt hält sich der komische Bursche gar für verpflichtet, in den Ferien Versäumnisse des Semesters nachzuholen. Er hat sich zu diesem Zweck mit einigen Studenten zusammengetan.« Plötzlich lachte er laut auf. »Hoffentlich wird er mir bei soviel Fleiß nicht noch melancholisch und gerät bei nächster Gelegenheit in irgendwelche neue Verlegenheit.«
»Ich teile diese Befürchtung«, erwiderte sie ernst. »Bei solcher Ungleichmäßigkeit der Vorsätze mußt du ständig in Sorge sein.«
Er sah sie verständnislos an, aber bevor er antworten konnte, trat Lord Bromford, von Dassett geleitet, ein. Freundlicher als gewöhnlich begrüßte er den neuen Besucher, bemerkte aber: »Ich fürchte, Sie haben kein Glück – meine Kusine ist ausgefahren.«
»Ich habe es schon am Eingang erfahren – Verehrung, Gnädigste –, aber ich fand es geziemend, einzutreten und Sie zur Genesung Ihrer kleinen Schwester zu beglückwünschen«, antwortete Seine Lordschaft. »Hatte Gelegenheit, unseren guten Baillie – tadelloser Arzt – zu sprechen, und er hat mir auf Ehre und Gewissen versichert, daß nicht die leiseste Ansteckungsgefahr mehr besteht.«
Miss Wraxton erriet aus der Art, wie Mr. Rivenhall seine Lippen schürzte, daß er eine spöttische Antwort geben wollte, und so beeilte sie sich einzuwerfen: »Sind Sie unpäßlich gewesen, Lord Bromford? Das höre ich ungern. Doch hoffentlich nichts -Ernstes?«
»Baillie meint nicht. Das Wetter ist eben besonders ungünstig: es fördert Halsinfektionen, zu denen ich besonders neige. Meine Mama ist, wie Sie sich denken können, wegen meiner zarten Gesundheit gleich in Sorge gewesen – man kann ja leider nicht bestreiten, daß sie zart ist! Darum mußte ich eine Woche lang das Zimmer hüten.«
Mr. Rivenhall lehnte sich breitschultrig an den Kaminsims, schob die Hände in die Hosentaschen und zeigte die Miene eines Mannes, dem eine Sache Spaß zu machen beginnt. Lord Bromford bemerkte diese Anzeichen nicht, Miss Wraxton aber war von schlimmen Ahnungen beunruhigt. So beeilte sie sich zu sagen: »Man hört überall von Halsbeschwerden. Kein Wunder, daß Lady Bromford besorgt war. Gewiß hatten Sie ausgezeichnete Pflege.«
»Ja, da hatte ich gewiß nichts zu entbehren … jedenfalls war auch Mama gerührt über die Hingabe, mit der Miss Stanton-Lacy ihre kleine Kusine pflegte.« Er verneigte sich vor Mr. Rivenhall, der diese Anerkennung mit einem Kopfnicken quittierte, dabei aber ein spöttisches Lächeln nicht unterdrückte. »Mir sind dabei einige Verse aus Marmian, die gut dazu passen, in den Sinn gekommen.«
Miss Wraxton, die es müde war, Sophys Krankenpflegertugenden
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