Die drei Ehen der Grand Sophy
auf dem Wege nach London war, hätte sie es sich gewiß nicht beifallen lassen, wegzufahren.
»Ja, Dassett sagte schon, daß sie nicht in London ist«, erwiderte Sir Horace, machte es sich im Lehnstuhl bequem und legte ein wohlgeformtes Bein über das andere. »Ich habe übrigens gar nicht damit gerechnet, jemanden von euch zu dieser Jahreszeit in London anzutreffen, aber wenn eines der Kinder krank ist, nun, das erklärt natürlich alles. Wo ist denn Sophy hingefahren?«
»Ich glaube … ich hatte gerade mit Amabel zu tun, als Cecilia mir davon sprach, aber wenn ich mich nicht täusche, so ist die liebe Sophy nach Lacy Manor gefahren.«
Er sah sie überrascht an. »Was, zum Teufel, sucht sie denn dort? Gänzlich unbewohnbares Haus! Sophy kann doch nicht auf die Idee gekommen sein, es einzurichten, denn ich bin doch noch gar nicht entschlossen … na, es ist ja weiter gleichgültig.«
»Nein, ich glaube nicht, daß sie eine solche Idee hatte! Eher … ach, Horace, ich weiß nicht, was du mir jetzt sagen wirst, aber ich fürchte, Sophy ist infolge gewisser Ereignisse des heutigen Tages von hier ausgerückt.«
»Kommt mir nicht sehr wahrscheinlich vor«, erwiderte Horace kühl. »Es sieht meiner kleinen Sophy nicht ähnlich, eine Theatertragödie aufzuführen. Was ist denn passiert?«
»Genau weiß ich es nicht: ich war nämlich nicht zu Hause. Aber Cecilia hat wohl angenommen, daß … daß Sophy sich mit Charles gezankt hat. Er hat ein schreckliches Temperament, gewiß, eine sehr ausfallende Art, aber ich kann nicht glauben, daß er es wirklich ernst gemeint hat … Sophy schien es vorher auch nicht übelzunehmen, wenn er … es war nämlich keineswegs das erstemal, daß sie miteinander zankten.«
»Rede dich nicht in Aufregung, Lizzie«, empfahl Sir Horace, der seine Fassung mühelos bewahrte. »Mit Charles verzankt, sagst du? Nun, darauf war ich gefaßt. Ich möchte sogar sagen: es wird ihm guttun. Und wie geht es Ombersley?«
»Wahrhaftig, Horace«, erwiderte seine Schwester verletzt, »wenn man dich so sprechen hört, möchte man meinen, daß dir überhaupt nichts an der guten Sophy liegt.«
»Da bist du ganz im Irrtum, alte Dame, ich habe sie verteufelt gern«, erwiderte er. »Nur bedeutet das nicht, daß ich auf ihre Tricks hereinfalle. Sie würde es mir auch nicht hoch anrechnen. Verlaß dich darauf, dies ist wieder nur einer ihrer üblichen Streiche.«
Da Dassett in diesem Augenblick eintrat, um dem Ankömmling die schicklichen Erfrischungen anzubieten, mußten sie das Gespräch unterbrechen. Erst als er sich zurückgezogen hatte, sagte Lady Ombersley zusammenfassend: »Auf jeden Fall wirst du Sophy heute abend noch sehen, denn Cecilia ist ihr mit Miss Wraxton nachgefahren, um sie zurückzuholen.«
»Wer ist Miss Wraxton?« erkundigte sich Sir Horace und goß sich ein Glas Madeira ein.
»Wenn du einem jemals zuhören wolltest, wenn man spricht, dann wüßtest du, Horace, daß Miss Wraxton die Dame ist, die Charles zu heiraten beabsichtigt.«
»Warum sagst du das nicht gleich?« sagte Sir Horace und nahm einen Schluck Wein. »Du kannst doch nicht erwarten, daß ich alle diese Namen in meinem Kopf herumschleppe. Aber ich erinnere mich jetzt! Das ist das Mädchen, von dem du gesagt hast, daß sie eine fade Gans ist.«
»Etwas Derartiges habe ich nie gesagt«, bestritt Lady Ombersley. »Ich kann so etwas nicht ausgesprochen haben, aber dir mag es so geklungen haben.«
»Wenn ich etwas sage, kannst du dich immer auf mein Gedächtnis verlassen. Ganz anständiger Madeira, das. Jetzt erinnere ich mich, daß du sagtest, auch Cecilia werde demnächst heiraten. Charlbury, nicht?«
Lady Ombersley seufzte. »Ach, das ist nicht zustande gekommen. Cecilia war nicht dazu zu bringen, ihn anzunehmen. Und jetzt hat Charles nicht mehr soviel gegen Augustus Fawnhope einzuwenden. Ombersley sagt zwar, daß er das nie zugeben wird, aber ich möchte behaupten, daß er sich doch damit abfinden wird. Du magst ruhig wissen, Horace, daß Lord Charlbury deiner Sophy besondere Aufmerksamkeit schenkt.«
»Ach nein, tut er das? Bei Jupiter!«
Sie wurden durch das Geräusch ungeduldiger Schritte unterbrochen, und gleich darauf kam Mr. Rivenhall, ein offenes Blatt in der Hand, hereingestürmt; er hatte sich nicht einmal die Zeit genommen, den Mantel abzulegen, bevor er die Treppe heraufeilte.
Mr. Rivenhall sah äußerst erregt und sogar ein wenig blaß aus. Nachdem er am frühen Nachmittag den Braunen in den Stall
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