Die drei Ehen der Grand Sophy
gebracht, war er zunächst in die Bond Street geeilt, um sich in Jacksons Boxklub einen Teil seiner Wut herunterzuarbeiten; dann hatte er bei White eine Stunde lang Billard gespielt, andauernd im Konflikt mit der Versuchung, auf den Berkeley Square zurückzukehren und der Kusine zu sagen, daß er kein Wort von alledem, was er geäußert, ernst gemeint hatte. Beim Verlassen des Billardsaales war er seinem Freund Mr. Wychbold begegnet. Der Verabredung gemäß hatte Mr. Wychbold ihn gefragt, wohin Miss Stanton-Lacy gereist sei. Und als Mr. Rivenhall darauf kurz antwortete: »Nirgendshin, soviel mir bekannt ist«, hatte Wychbold gesagt: »Doch, mein lieber Junge, sie ist verreist! Ich sah sie in einer vierspännigen Postkutsche fahren, und Charlbury war bei ihr.«
Mr. Rivenhall starrte ihn an. »In einer vierspännigen Postkutsche? Du mußt dich geirrt haben!«
»Ausgeschlossen!« versicherte Mr. Wychbold, der nicht aus der Rolle fiel.
»Vermutlich bist du betrunken. Meine Kusine ist zu Hause.« Und als sein Freund Neigung zeigte, das Thema weiterzuspinnen, fügte er hinzu: »Ich wäre dir verpflichtet, wenn du solches Gerede nicht gerade aussprengtest!«
»Nein, das würde ich mir nicht im Traum einfallen lassen«, beeilte sich Mr. Wychbold zu versichern.
Mr. Rivenhall begab sich nun in das Spielzimmer, um einen Rubber Whist zu spielen. Alle Tische waren besetzt, und während er hinter einem Stuhl stand und zusah, begannen seine Gedanken zu arbeiten und Mr. Wychbolds lächerliche Behauptung zu verdauen. Gerade in diesem Augenblick wurde ihm Miss Wraxtons Brief gebracht. Ihn überfliegen und alle Absichten auf eine Partie Whist aufgeben, war die Sache eines Augenblicks. Ohne ein Wort der Entschuldigung an die Gesellschaft, die ihn zum nächsten Rubber eingeladen hatte, stürmte er davon. Er raste nach Hause, fand Sophys Brief auf dem Tisch in der Halle, las ihn und nahm, als er zu Lady Ombersley hinauflief, immer zwei Stufen mit einem Schritt.
»Vielleicht bist du in der Lage, Mama, mir zu erklären –«, platzte er heraus, unterbrach sich aber dann, als er bemerkte, daß sie nicht allein war. »Bitte um Vergebung! Ich wußte nicht –« Sir Horace hob sein Lorgnon, um ihn aufmerksam zu betrachten. »Oh, Sie sind es, Sir! Das trifft sich ja gut! Sie konnten in keinem günstigeren Augenblick kommen!«
Betroffen von dem respektlosen Ton, den er angeschlagen, versuchte Lady Ombersley einen schwächlichen Protest. »Aber, Charles, ich muß doch bitten –«
Er achtete nicht darauf. »Vielleicht interessiert es Sie zu erfahren, daß Ihre bezaubernde Tochter eben mit Everard Charlbury durchgebrannt ist?« verkündete er unheildrohend.
»Wirklich? Wozu nur, frage ich mich? Ich habe weiter nichts dagegen, daß sie Charlbury heiratet! Einwandfreie Familie, hübsches Vermögen …«
»Sie hat das getan, um mich außer Rand und Band zu bringen! Um Charlbury zu heiraten, brauchte sie das nicht zu tun.«
»Nein?« fragte Sir Horace und betrachtete den Neffen noch aufmerksamer durch das Glas. »Wer sagt das?«
»Ich sage das!« schrie Mr. Rivenhall. »Ich sage sogar noch mehr! Sie hat gar nicht die Absicht, ihn zu heiraten. Wenn Sie Ihre Tochter nicht kennen, ich kenne sie!«
Lady Ombersley, die diesem Auftritt mit höchstem Unbehagen gelauscht hatte, fand jetzt die Kraft zu sagen: »Nein, es würde ihr gar nicht einfallen, mit Charlbury durchzubrennen! Da mußt du im Irrtum sein! Ach, Charles, ich fürchte, daran bist du wieder schuld! Gewiß warst du schrecklich unfreundlich zu der armen Sophy!«
»Oho, unfreundlich! Ich war so brutal, ihr Vorhaltungen zu machen, weil sie meinen jungen Braunen aus dem Stall nahm und damit, ohne mir ein Wort zu sagen, in den Park fuhr! Daß sie in diesem Augenblick nicht mit gebrochenem Hals liegt, ist wahrhaftig nicht ihr Verdienst.«
»Das war aber nicht in Ordnung«, bemerkte Sir Horace mit seinem ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit. »Ich muß mich wundern, daß sie so etwas Ungeziemendes getan hat, es paßt gar nicht zu ihr. Was mag denn nur in sie gefahren sein, daß sie so etwas anstellt?«
»Gewiß war es nur ihr verteufelter Wunsch, einen Streit mit mir vom Zaun zu brechen«, sagte Mr. Rivenhall voll Bitterkeit. »Ich sehe das jetzt ganz klar, und wenn sie sich nicht besser vorsieht, wird sie finden, daß sie nur zu gut erreicht hat, was sie im Sinne hatte.«
»Es tut mir leid, mein Junge«, sagte sein Onkel mit einem freundlichen Augenzwinkern, »daß du meine
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