Die drei Ehen der Grand Sophy
das offen aus. Mr. Rivenhall lächelte. »Sicher nicht, da hast du recht. Aber in gewissem Sinn war es auch wieder meine Schuld: ich habe ihren Trotz herausgefordert. Schaden ist ja keiner passiert: wenn sie meine Grauschimmel in der Hand behielt, so frisch wie sie waren, ist sie eine erstklassige Fahrerin. Trotzdem wird sie, solange ich etwas zu sagen habe, keinen eigenen Wagen bekommen, während sie unter der Aufsicht meiner Mutter steht. Du lieber Gott, wir würden von einem Augenblick zum andern nicht wissen, wo sie ist, denn wenn ich eine Vorstellung von meiner schrecklichen Kusine Sophy habe, so begnügt sie sich keineswegs damit, die Runde im Park zu fahren.«
»Du nimmst das mit einer Fassung hin, die dir Ehre macht, lieber Charles.«
»Hab ich leider nicht getan«, sagte er mit einem Auflachen des Bedauerns. »Sie hat mich in furchtbare Wut versetzt.«
»Das wundert mich weiter nicht, denn jemandes Pferde ohne seine Erlaubnis zu kutschieren, ist ein Verstoß, zeigt einen Mangel an Lebensart, den man nicht mehr bloß amüsant finden kann. Nicht einmal ich habe dich jemals darum
• gebeten, die Zügel nehmen zu dürfen.«
Er sah sie belustigt an. »Meine liebe Eugenia, du wirst das hoffentlich auch nie verlangen, denn ich müßte sie dir verweigern. Du könntest meine Pferde nicht halten.«
Wäre Miss Wraxton nicht so wohlerzogen gewesen, diese taktlose Bemerkung hätte eine scharfe Antwort herausgefordert, denn auch Eugenia rühmte sich, die Zügel führen zu können; und wenn sie auch nie in London selbst kutschierte, so besaß sie doch einen eleganten Phaeton, in dem sie ausfuhr, wenn sie daheim in Hampshire war. Einen Moment mußte sie sich fassen, bevor sie etwas sagen konnte. In dieser kurzen Zeitspanne löste sie flink das Problem, wie es Charles und seiner nicht gerade einwandfreien Kusine begreiflich zu machen sei, daß eine nach den strengsten Prinzipien der Schicklichkeit erzogene Lady genau soviel Pferdeverstand besitzen konnte wie irgendein ungeschliffenes Ding, das seine Jugend damit verbracht hatte, sich auf dem Kontinent herumzutreiben. Man hatte Miss Wraxton zu öfteren Malen Komplimente darüber gemacht, daß sie gut zu Pferde saß, und sie wußte, daß ihr Reitstil untadelig war. So sagte sie: »Wenn Miss Stanton-Lacy gern will, kann sie doch einmal mit mir nachmittags im Park ausreiten. Das wird ihren Gedanken eine andere Richtung geben und sie von so närrischen Ideen, wie der Anschaffung eines Wagens, wieder abbringen. Bilden wir doch eine kleine Reitergesellschaft, Charles! Die gute Cecilia macht sich nichts aus dem Reiten, ich weiß – sonst würde ich sie bitten, sich uns anzuschließen. Aber Alfred wird gern mitkommen, und du kannst deine Kusine mitbringen. Morgen? Lade sie doch ein, bitte, mit uns zu kommen!«
Mr. Riyenhall, der keineswegs ein toleranter Mann war, hegte keine Zuneigung zu Eugenias jüngerem Bruder und wich ihm aus, wo immer er nur konnte, aber Miss Wraxtons Großmut, einen Verkehr anzubahnen, an dem sie vermutlich wenig Vergnügen fand, rührte ihn; sofort nahm er an, brachte auch seine Dankbarkeit zum Ausdruck. Sie lächelte und vergaß nicht zu erwähnen, daß sie es schließlich für ihre Aufgabe halte, in seinem Interesse ihr möglichstes zu tun. Mr. Rivenhall war zwar sonst kein Mann einschmeichelnder Gebärden, aber nun küßte er ihr sogar die Hand und versicherte, es sei ihm durchaus klar, daß er sich in allem ganz auf sie verlassen könne. Nun wiederholte Miss Wraxton die Bemerkung, die sie schon zu Lady Ombersley getan, daß es ihr ungemein leid tue, wenn gerade in dieser für die Ombersley keineswegs angenehmen Lage Umstände eingetreten wären, die zum Aufschub der Hochzeit zwängen. Auch sei Lady Ombersleys Gesundheitszustand keineswegs so geartet, daß sie allein den Haushalt so leiten könne, wie Charles es wünschte. Ihr gütiges Herz lasse Lady Ombersley vielleicht in die Richtung übermäßiger Toleranz ausschweifen, und eine gewisse Mattigkeit, eben die Folge ihres Kränkeins, mache sie gegen bestimmte Dinge blind, mit denen eine hilfsbereite Schwiegertochter gar schnell fertig würde. Miss Wraxton gestand, sie sei ein wenig überrascht gewesen, als sie erfahren habe, daß Lady Ombersley sich von ihrem Bruder, einem sehr sonderbaren Herrn, wie ihr Papa ihr gesagt, habe überreden lassen, seine Tochter auf unbestimmte Zeit in Obhut zu nehmen. Und davon ging sie in der geschmeidigsten Art zu einer sanften Kritik Miss Adderburys über,
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