Die drei Ehen der Grand Sophy
seiner Kusine an der Ecke von Haymarket vorführte, wie man haarscharf durchs Gedränge kam, »nichts würde mir mehr Befriedigung gewähren, als dich mit einem Mann verheiratet zu sehen, der dir deine Mucken austreibt.«
»Nicht schlecht gefahren«, sagte Sophy billigend. »Aber wie wäre das ausgegangen, wenn irgendein Hund oder gar ein armer Mensch in diesem Augenblick die Straße überquert hätte?«
Mr. Rivenhalls Sinn für Humor gewann die Oberhand. Er mußte ein Lachen unterdrücken, bevor er antwortete: »Daß dich noch keiner erwürgt hat, kann nur auf ganz besondere Umstände zurückgeführt werden.«
Aber er mußte bemerken, daß die Aufmerksamkeit seiner Kusine sich von ihm abgewendet hatte. Bevor er erkennen konnte, was ihr Interesse gefesselt hatte, sagte sie hastig: »Oh, möchtest du nicht halten, bitte? Ich habe da einen Bekannten gesehen.«
Er entsprach dieser Bitte und sah zu spät, wer ihnen da auf dem Bürgersteig entgegenkam. Dieses liebenswürdige Antlitz, diese Locken, golden wie eine Guinea, die sichtbar wurden, als die Bibermütze gelüpft wurde – das war nicht zu verkennen. Mr. Augustus Fawnhope hatte die vorbeifahrende Dame winken sehen, war stehengeblieben und hatte die Pelzmütze abgenommen; so stand er nun da und blickte fragend auf Sophy.
Er war in der Tat ein schöner junger Mensch. Das Haar umwallte eine Alabasterstirn; die tiefblauen Augen waren ein wenig verträumt, aber unter kühn geschwungenen Jochbögen exquisit an ihrem Platz, so groß und leuchtend, daß jede Kritik vor ihnen verstummte; sein Mund bildete eine Kurve, die einem Bildhauer den Meißel in die Hand zwang. Er war nicht übermäßig groß, doch von vollendeten Proportionen, und mußte sich nicht an Essigkartoffeln als Diät halten, um schlank zu bleiben. Nicht daß es ihm je in den Sinn gekommen wäre, dergleichen zu tun: es gehörte zu Mr. Fawnhopes Reizen, es war der geringste davon, daß er sich seines guten Aussehens gar nicht bewußt war. Man hätte annehmen können, daß er die Bewunderung merkte, die er überall auf sich zog, aber sein Ehrgeiz, ein großer Poet zu werden, beschäftigte ihn so sehr, daß er sich kaum darum kümmerte, was man zu ihm, geschweige denn, was man über ihn sprach. Sogar Übelgesinnte wie Mr. Rivenhall oder Sir Charles Stuart mußten zugeben, daß diese Bewunderung noch nicht bis in das Wolkenkuckucksheim eingedrungen war, in dem er lebte.
Doch es war mehr als Weitabgewandtheit in dem Blick, der nun auf Miss Stanton-Lacy ruhte, und das entging auch Mr. Rivenhall nicht, der die Ungewißheit auf Mr. Fawnhopes Lippen richtig interpretierte. Mr. Fawnhope hatte sichtlich nicht die leiseste Ahnung, wer die junge Dame war, die ihm so freundlich die Hand hinstreckte. Immerhin nahm er die Hand und sagte mit seiner weichen, vagen Stimme sein »How do you do«.
»Brüssel«, half Sophy ihm nach. »Wir haben auf dem Ball der Herzogin von Richmond die Quadrille getanzt, erinnern Sie sich? Sie kennen doch meinen Cousin, Mr. Rivenhall? Sie müssen wissen, daß ich über die Saison bei meiner Tante in Berkeley Square lebe. Sie müssen uns unbedingt besuchen: meine Tante wird entzückt sein.«
»Natürlich erinnere ich mich«, sagte Mr. Fawnhope, weniger wahrheitsgetreu als manierlich. »Ich bin entzückt, Sie wiederzusehen – noch dazu so unerwartet! Und gewiß werde ich mir das Vergnügen nehmen, in Berkeley Square vorzusprechen.«
Er verneigte sich und trat zurück. Die Grauschimmel, denen sich Mr. Rivenhalls Ungeduld mitgeteilt hatte, griffen aus. Mr. Rivenhall sagte: »Wie nett für dich, gleich nach der Ankunft einen alten Freund zu treffen!«
»Ja, nicht wahr?« bestätigte Sophy.
»Hoffentlich gelingt es ihm, sich deines Namens zu entsinnen, bevor er sich aufrafft, deiner Einladung Folge zu leisten.«
Ihre Lippen schürzten sich, aber sie antwortete gelassen: »Verlaß dich darauf, er findet schon jemand, der es ihm sagt.«
»Schamlos!« brummte er.
»Unsinn! Du sagst das nur, weil ich deine Pferde kutschiert habe. Denk nicht mehr daran! Ich verpflichte mich, es nicht wieder zu tun.«
»Dafür werde ich sorgen. Und noch etwas will ich dir sagen, liebe Kusine: es wäre mir lieber, wenn du dich zurückhalten würdest, in meine Familienangelegenheiten einzugreifen.«
»Oh, das ist mir wirklich lieb zu wissen, denn wenn ich jemals den Wunsch hegen sollte, dir zu gefallen, werde ich wenigstens wissen, wie ich das anstellen muß. Es wird wohl kaum dazu kommen, aber man
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