Die drei Ehen der Grand Sophy
Lebensart bei weitem überlegen ist.«
Die Sicherheit, mit der sie das vorbrachte, schien Sophy so komisch, daß sie in helles Gelächter ausbrach. »Bitte um Verzeihung«, brachte sie mühsam hervor, »aber das war zu komisch!«
»Es mag Ihnen so scheinen«, räumte Miss Wraxton ein, ohne mit der Wimper zu zucken. »Man hat mir gesagt, daß auf dem Kontinent den Frauen allerlei gestattet ist. Hier ist das nicht so. Ganz im Gegenteil. Der bloße Verdacht, daß man sich im Ton vergriffe, wäre hier entsetzlich, liebe Miss Stanton-Lacy. Sie nehmen es mir gewiß nicht übel, wenn ich Ihnen einen Wink gebe. Sie legen doch gewiß höchsten Wert darauf, zum Beispiel zu den Almack-Gesellschaften eingeladen zu werden. Seien Sie versichert, es brauchte den Patronessen nur die leiseste Kritik zu Ohren zu kommen, und Sie können der Hoffnung, dort angenommen zu werden, für alle Zeiten entsagen. Sie wissen, daß man ohne Einladung keine Karten bekommen kann. Es ist das Exklusivste, was wir in London haben! Die Regeln sind sehr streng, und sie dürfen nicht um Haaresbreite verletzt werden.«
»Sie erschrecken mich! Sie wollen doch nicht sagen, daß man mich ausballotieren wird?«
Miss Wraxton lächelte. »Wohl kaum, da Sie ja Ihr Debüt unter Lady Ombersleys Ägide haben werden! Sie wird Ihnen ohne Zweifel sagen, wie Sie sich dabei benehmen müssen, vorausgesetzt, daß ihre Gesundheit es ihr erlaubt, Sie selbst einzuführen. Es ist ein rechtes Unglück, daß Umstände mich verhindern, den Platz einzunehmen, an dem ich in der Lage wäre, Lady Ombersley einiges von ihren Pflichten abzunehmen.«
»Verzeihen Sie«, fiel Sophy, deren Aufmerksamkeit abgelenkt worden war, Miss Wraxton ins Wort, »aber mir scheint, das ist Madame von Lieven, die mir da winkt – das kann ich wohl höflicherweise nicht übersehen.«
Sie ritt zu einem eleganten Landauer, der an den Reitweg herangefahren war, und beugte sich aus dem Sattel, um eine Hand zu ergreifen, die ihr müde entgegengehoben wurde.
»Sophie«, sagte die Gräfin, »Sir Horace sagte mir schon, daß ich Sie hier treffen würde. Ich sah Sie ventre à terre galoppieren – das dürfen Sie nicht wieder tun! Mistress Burrell, darf ich Sie mit Miss Stanton-Lacy bekannt machen?«
Die Lady, die neben der Botschaftersgattin saß, neigte leicht den Kopf und gestattete es ihren Lippen, sich zu einem flüchtig angedeuteten Lächeln zu verziehen. Dieses Lächeln wurde ein wenig deutlicher, als sie Miss Wraxton bemerkte, die Sophy gefolgt war, und sie neigte tatsächlich den Kopf, ein ganz ungewöhnliches Zeichen der Herablassung.
Gräfin Lieven nickte Miss Wraxton zu, schwatzte aber weiter auf Sophy ein: »Also Sie wohnen bei Lady Ombersley – ich bin bekannt mit ihr, werde einmal bei Ihnen vorsprechen, einmal wird sie Sie mir doch für einen Abend abtreten? Haben Sie die Prinzessin Esterházy schon gesehen? Oder Lady Jersey? Ich werde erzählen, daß ich Sie getroffen habe, sie werden begierig sein, etwas von Sir Horace zu hören. A propos, was habe ich Sir Horace nur versprochen? Ach richtig, Almack! Ich schicke Ihnen eine Einladung, ma chère Sophie, aber im Hydepark dürfen Sie nicht mehr galoppieren.« Damit gab sie ihrem Kutscher ein Zeichen weiterzufahren, schloß Sophys ganze Gesellschaft in ein flüchtiges Lächeln des Abschieds und nahm das unterbrochene Geplauder mit Mrs. Drummond Burrell wieder auf.
»Ich wußte gar nicht, daß Sie mit der Gräfin Lieven bekannt sind«, sagte Miss Wraxton.
»Sie mögen sie wohl nicht?« Der kalte Ton in Miss Wraxtons Frage war ihr nicht entgangen. »Das geht vielen Leuten so, ich weiß. Sir Horace nennt sie la grande intrigante, aber gescheit ist sie, und man kann sich mit ihr prächtig amüsieren. Sie hat ein tendre für ihn, das haben Sie wohl bemerkt. Mir ist, aufrichtig gesagt, die Prinzessin Esterházy lieber, und Lady Jersey lieber als alle zusammen, denn die ist soviel aufrichtiger, trotz ihrer unruhigen Art.«
»Eine gräßliche Frau«, sagte Charles. »Wenn sie einmal spricht, gibt es kein Aufhören. In ganz London heißt sie Silence, sei still!«
»Nein wirklich? Bestimmt macht sie sich, wenn sie das weiß, nichts daraus, sie hat Sinn für Spaß.«
»Sie sind in der glücklichen Lage, eine Menge der Patronessen von Almack zu kennen«, bemerkte Miss Wraxton.
Sophy unterdrückte ihr Auflachen gar nicht. »Ehrlich gesagt, ich verdanke mein Glück wohl der Tatsache, daß ich einen Vater habe, der sich so vollkommen aufs Flirten
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