Die drei Ehen der Grand Sophy
nicht eine pflichtbewußte Tochter wünsche. Aber wenn ich mir vorstelle, daß ich sie binnen kurzem hier im Hause haben werde – doch ich darf doch nicht so reden! Es ist höchst ungeziemend, und du mußt es, bitte, sofort vergessen, Sophy!«
Sophy ging auf diesen Wunsch nicht ein, sondern fragte: »Du wirst sie hier im Haus haben? Das meinst du doch nicht im Ernst?«
Lady Ombersley nickte. »Es ist nichts Ungewöhnliches an einer solchen Regelung, das verstehst du doch, Liebste? Sie werden natürlich ihr eigenes Appartement haben, aber …« Sie seufzte.
Sophy sah sie eine Weile lang aufmerksam an, sagte aber zu Lady Ombersleys Überraschung nichts. Die Tante versuchte ihre melancholischen Gedanken fortzuscheuchen und begann von der geplanten Gesellschaft zu sprechen. Auf diese Vorbereitungen ging ihre Nichte mit solchem Enthusiasmus und solcher Energie ein, daß Lady Ombersley ganz außer Atem geriet. Was sie eigentlich mit Sophy verabredete, vermochte sie nachher weder Charles noch sich selbst in Erinnerung zu rufen, aber nach einem langen Gespräch, in dem sie zu der Überzeugung gelangte, daß es keine liebenswertere und aufmerksamere Nichte als Sophy geben konnte, hatte sie dareingewilligt, daß Sophy mit Cecilia alle Vorbereitungen traf, und hatte auch gestattet, daß Sir Horace durch seine Tochter die Kosten der Veranstaltung übernahm.
»Und nun«, verkündete Sophy strahlend Cecilia, »wirst du mir sagen, wo wir die Einladungskarten bestellen und wo ihr im allgemeinen das Büfett in Auftrag gebt. Ich glaube nicht, daß wir das dem Koch überlassen dürfen, denn er würde tagelang für nichts anderes mehr Zeit finden, und das wäre für alle eine große Unbequemlichkeit, die ich keinesfalls wünsche.«
»Aber, Sophy, Mama sagte doch, daß es eine sehr kleine Gesellschaft sein soll!«
»Nein, Cecy, dein Bruder war es, der das sagte«, erwiderte Sophy. »Es wird eine sehr große Gesellschaft sein.«
Selina, die an dieser Beratung teilnahm, fragte schlau: »Weiß Mama das?«
Sophy lachte. »Noch nicht«, gestand sie. »Glaubst du, daß sie große Gesellschaften nicht leiden kann?«
»Das nicht! Es waren über vierhundert Leute zu dem Ball eingeladen, den Mama für Maria gab. Stimmt’s nicht, Cecilia? Und Mama hatte das größte Vergnügen daran, denn der Abend war ein so wunderbarer Erfolg, und alle beglückwünschten sie dazu. Kusine Mathilda hat mir das gesagt.«
»Ja, aber die Kosten!« wandte Cecilia ein. »Mama wird es nicht wagen. Charles wird außer sich sein.«
»Kümmert euch darum nicht«, rief Sophy. »Sir Horace trägt die Kosten, nicht Charles. Macht eine Liste all eurer Bekannten, und ich will eine aller meiner Freunde, die in England sind, anlegen, und dann verschicken wir die Karten. Wir werden über fünfhundert brauchen.«
»Sophy«, sagte Cecilia mit schwacher Stimme, »wollen wir fünfhundert Einladungen verschicken, ohne Mama zu fragen?«
Mutwillen tanzte in ihren Augen. »Natürlich tun wir das, du Gänschen. Wenn wir sie erst verschickt haben, kann euer abscheulicher Bruder sie auch nicht mehr zurückholen.«
»Famos! Famos!« schrie Selina und begann im Zimmer herumzutanzen. »Schön wütend wird der sein!«
»Ob ich das wage?« seufzte Cecilia eingeschüchtert und verlockt.
Die Schwester redete ihr zu, kein Hasenfuß zu sein, aber schließlich war es Sophy, die alles damit abschloß, daß sie erklärte, es habe ja nicht Cecilia die Verantwortung zu tragen; von dem Bruder habe sie keine Vorwürfe zu befürchten, denn der würde die Schuld schon dort suchen, wo sie wirklich lag.
Mr. Rivenhall hatte sich inzwischen zu seiner Verlobten begeben. Der Zorn kochte noch in ihm, als er in dem etwas freudlosen Hause der Brinklows in Brook Street eintraf; doch war er so undankbar und widernatürlich veranlagt, daß er, kaum sah er seine Empfindungen geteilt und sich in seinem Tadel bestärkt, auch schon eine Wendung in die umgekehrte Richtung nahm und erklärte, man müsse einem Mädchen viel nachsehen, das seine Grauschimmel zügeln konnte, wie Sophy es getan. Von einem Frauenzimmer, das unter alles Maß normalen Tadels herabgesunken war, wurde Sophy plötzlich zu einem außergewöhnlichen Mädchen, dessen unaffektiertes Gehaben in einem Zeitalter der albernen Geziertheit und hochtrabender Phrasen erfrischend wirkte. Das war nun nicht nach Miss Wraxtons Geschmack. Unbegleitet durch die City zu kutschieren, entsprach nicht ihrer Vorstellung von Schicklichkeit, und sie sprach
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