Die drei Ehen der Grand Sophy
Zeichen gab, daß er mit Sophy zu sprechen wünschte, konnte er sich nicht weigern. Als der Phaeton an den Wegrand heranfuhr, kletterte er umständlich aus dem Wagen, den Lord Francis ebenso flink erklomm. Seine ersten Worte waren: »War das ein kapitaler Ball gestern, Sophy! Bezauberndes Geschöpf, Ihre Kusine! Donnerwetter!«
Sophy setzte ihre Pferde wieder in Gang. »Francis, wächst die Korkeiche in den südlichen Provinzen Spaniens?«
»Du lieber Himmel, Sophy, wie soll ich das wissen? Sie waren doch in Kadiz. Erinnern Sie sich nicht? Wer schert sich um Korkeichen?«
»Ich hoffe«, sagte Sophy warm, »daß Sie dereinst, wenn Sie aufgehört haben, der unbeholfenste Flirt in ganz Europa zu sein, eine sehr schöne Frau gewinnen werden. Sie verdienen sie wirklich! Wissen Sie etwas über die Balata?«
»Nie gehört! Was ist das? Ein neuer Tanz?«
»Nein, ein Baum, der in Jamaika wächst. Und ich hoffe, diese Frau wird ebenso gutartigen Gemüts sein wie schön.«
»Darauf können Sie sich verlassen! Aber das muß ich Ihnen sagen, Sophy, es steht Ihnen gar nicht, einen harmlosen Menschen mit Bäumen zu langweilen! Was ist Ihnen denn passiert?«
»Lord Bromford«, seufzte Sophy.
»Ach, der lederne Bursche, der eben erst neben Ihnen saß? Gestern hat er Sally Jersey auseinandergesetzt, daß Guineagras sich sowohl für Pferde als auch für Rinder als Futter eignet. Hab es selbst gehört! So hat das ›Große Schweigen‹ noch nie den Mund gehalten!«
»Mir wäre es lieber gewesen, sie hätte ihn gehörig gedämpft, sie kann das. Beim Reithaus muß ich Sie absetzen, Cecilia erwartet mich schon.«
In der Tat standen Cecilia und ihr Anbeter am verabredeten Platz. Lord Francis sprang aus dem Phaeton, und er war es auch, der Cecilia in den Wagen hob, denn Mister Fawnhope war in die Betrachtung einer Gruppe von Narzissen versunken und murmelte gerade: »Wagmutig sproßt Narzissus, eh’ die Schwalbe sich erkühnt …«
Cecilias Stimmung schien durch die Begegnung mit ihrem Galan nicht sehr gehoben. Seine Zukunftspläne waren ein wenig ungewiß, denn er trug sich gerade mit einer epischen Dichtung, die ihn mit einem Schlage berühmt machen sollte. Während sein Werk sich in ihm formte, würde er wohl, so sagte er, nichts dagegen einzuwenden haben, irgendwo als Bibliothekar Dienst zu nehmen. Cecilia ihrerseits konnte sich schwer vorstellen, daß ihr Vater oder ihr Bruder sonderliche Neigung zeigen würden, sie einem Bibliothekar zum Weibe zu geben, und als Mr. Fawnhope dazu nur nickte, konnte sie in seiner Bereitschaft, jenen Dienst anzunehmen, aber auch auf ihn sofort wieder zu verzichten, nichts Ermutigendes erblicken. Sie war sogar so weit gegangen, ihm eine politische Tätigkeit anzusinnen, aber sein Ausruf: »Was für ein schmutziges Tun!« verhieß keine günstige Entwicklung. Auch fand er, seit dem Tode von Mr. Fox, vor zehn Jahren, wäre kein Staatsmann hervorgetreten, dem sich ein Mann von Geist und Empfindsamkeit willig attachieren würde; diese Bemerkung bewies nur, daß Augustus mit seinen politischen Anschauungen bei ihrer Familie kaum mehr Anklang finden würde als mit seinem poetischen Ehrgeiz.
Sophy zog aus Cecilias etwas ausweichenden Bemerkungen rasch das Resultat und sagte schwungvoll: »Nun ja, wir müssen eben einen Mann von Ansehen finden, der bereit ist, ihn unter seine Fittiche zu nehmen!« Daraus schloß Cecilia, daß Sophy die Lage nicht ganz richtig erfaßt hatte.
Später fand Sophy Gelegenheit, Hubert das Stück Papier, das aus seiner Tasche gefallen war, zurückzugeben. Sie hatte inzwischen der Sache nicht viele Gedanken gewidmet, doch die Betretenheit, mit der er das Blatt entgegennahm, regte sie geradezu zu Erwägungen an, die er gewiß nicht wünschte. Er riß ihr den Zettel beinahe aus der Hand und rief: »Wo hast du das gefunden?« Sanft erwiderte sie ihm, das Papierstück müsse wohl aus der Tasche des Rockes gefallen sein, den sie für ihn ausgebessert, und darauf erwiderte er: »Ja, es gehört mir, ich wußte nur nicht, daß ich es in den Rock gesteckt hatte! Ich kann dir das nicht näher erklären, aber erwähne es, bitte, vor niemandem.«
Sie konnte ihm nur versichern, dies wäre gar nicht in ihrer Absicht gelegen, doch gab ihr seine Betretenheit allerlei Zweifel und Besorgnisse ein. Zur Erkenntnis reiften diese Besorgnisse allerdings erst, als Hubert von seinem Besuch bei seinem Freunde Harpenden zurückkehrte; da glich er einem Menschen, der einen schweren Schlag empfangen
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