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Die drei Ehen der Grand Sophy

Die drei Ehen der Grand Sophy

Titel: Die drei Ehen der Grand Sophy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgette Heyer
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ließ. So sah sie sich kritisch um und wandte sich dann mit freundlichem Lächeln an einen der Knaben: »Sag, wohnt ein Mann namens Goldhanger in diesem Haus?«
    Der Gassenjunge glotzte sie nur an, aber als sie ihm einen Shilling reichte, blieb ihm sichtlich der Atem weg, seine Hand zuckte nach der Münze, und er brachte stammelnd hervor: »Erster Stock!« Dann jagte er davon, bevor ein Älterer ihm die Münze wieder abjagen konnte.
    Solche Großspurigkeit bewog die anderen, näher heranzurücken, aber nun kletterte der Kutscher von seinem Bock, die Peitsche in der Hand, und lud gutmütig jedermann, der es auf eine Tracht abgesehen hätte, ein, heranzukommen. Niemand nahm diese Einladung an, und so sagte Sophy: »Vielen Dank, aber machen Sie hier, bitte, kein Aufsehen. Warten Sie auf mich, bitte!«
    »Ich, an Ihrer Stelle, Fräuleinchen«, sagte der Kutscher ernst, »ich täte mich nicht in eine solche Höhle wagen, das muß ich schon sagen! Da wissen Sie nie, was Ihnen alles passieren kann.«
    »Wenn mir etwas passiert«, erwiderte Sophy freundlich, »dann werde ich laut rufen, und dann kommen Sie mir zu Hilfe. Ich glaube, Sie werden nicht allzulange warten müssen.«
    Damit bahnte sie sich den Weg durch die Leute und betrat das Haus, das man ihr bezeichnet hatte. Das Tor stand weit offen, eine mit keinem Läufer belegte Treppe lag am Ende eines kurzen Korridors. Sie stieg diese Treppe hinauf und gelangte auf einen Absatz. Zwei Türen gingen auf diesen Flur, sie klopfte energisch an beide. Eine Weile verging, und sie hatte das unangenehme Gefühl, daß jemand sie beobachtete. Sie blickte sich um, sah aber niemand. Erst als sie sich wieder zurückwandte, gewahrte sie, daß aus einem kleinen Loch in der Türfüllung ein Blick unmißverständlich auf sie gerichtet war. Das forschende Auge verschwand sofort, dann war zu hören, wie ein Schlüssel im Schloß umgedreht wurde. Die Tür wurde sacht geöffnet, und ein kleines, dunkelhaariges Individuum mit fettigen schwarzen Haaren, einer Hakennase und einem einschmeichelnden Lächeln wurde sichtbar. Die fragliche Person trug einen verschossenen schwarzen Anzug, und nichts an ihr deutete auf einen derartigen Wohlstand, daß angenommen werden konnte, sie vermöge irgend jemandem fünfhundert Pfund zu leihen. Die unter schweren Lidern halbgeschlossenen Augen nahmen blitzschnell jede Einzelheit von Sophys Erscheinung auf, von den gekräuselten Straußenfedern des Hutes bis zu den Chevreaulederstiefelchen.
    »Guten Morgen«, sagte Sophy. »Sind Sie Mister Goldhanger?«
    Er stand ihr leicht vorgeneigt gegenüber und rieb die Hände. »Und was würde die Lady von Mister Goldhanger wünschen?« fragte er.
    »Ich habe geschäftlich mit ihm zu sprechen«, erwiderte Sophy. »Falls Sie es etwa sind, dann lassen Sie mich, bitte, nicht länger auf diesem schmutzigen Korridor stehen. Warum niemand hier wenigstens ausfegt, verstehe ich nicht.«
    Mr. Goldhanger war sichtlich eingeschüchtert, und das war ihm wohl seit langem nicht geschehen. Er war an Besucher der verschiedensten Herkunft und Lebensweise gewöhnt, von scheuen Gestalten, die sich unter dem Schutz der Dunkelheit in das Haus schlichen und sonderbare Ware auf den Tisch warfen, auf dem eine Öllampe brannte, bis zu verschreckten jungen Herren von Stand, die sich aus irgendeiner drückenden Klemme zu befreien wünschten, aber noch nie hatte Mr. Goldhanger einer selbstbewußten jungen Lady die Tür geöffnet, die ihm ansann, den Korridor fegen zu lassen.
    »Vielleicht schauen Sie mich nicht länger so töricht an«, sagte Sophy »Sie haben mich lange genug durch das Guckloch in Ihrer Türe betrachtet und könnten bereits zu der Überzeugung gelangt sein, daß ich kein verkleideter Polizist bin.«
    Mr. Goldhanger protestierte. Das Ansinnen, ein Polizist wäre ihm ein unwillkommener Besuch, schien ihn zu verletzen. Immerhin trat er zurück, um Sophy den Eintritt freizugeben, und lud sie ein, auf einem Stuhl Platz zu nehmen, der an einem langen Tisch inmitten des Raumes stand.
    »Gern, aber ich wäre Ihnen zu Dank verpflichtet, wenn Sie ihn erst abstauben würden«, sagte sie.
    Mr. Goldhanger erledigte sich dieser Aufgabe mit Hilfe eines seiner langen Rockschöße. Dann hörte er, wie der Schlüssel im Schloß umgedreht wurde, und wandte sich betroffen um.
    »Sie haben doch wohl nichts dagegen, daß ich abschließe«, sagte Sophy. »Ich möchte nicht gerade von einem Ihrer Bekannten gestört werden. Und da ich auch nicht gern

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