Die drei Ehen der Grand Sophy
dieser zur Zeit in Brasilien weilte; nun konnte Mr. Bridge sich alles zusammenreimen, und er entschloß sich sofort, die Ohrringe für einen ansehnlichen Betrag zurückzunehmen, statt, wie es vielleicht seine erste Absicht gewesen war, geltend zu machen, die Diamantenpreise wären in letzter Zeit entsetzlich gefallen. Es war auch nicht seine Absicht, die Ohrringe wieder zu verkaufen; er würde sie einfach in Verwahrung nehmen, bis Sir Horace aus Brasilien zurückkam. Gewiß würde Sir Horace sie zurückkaufen; und seine Dankbarkeit, dies ohne nennenswerten Aufschlag tun zu können, würde in Zukunft darin ihren Ausdruck finden, daß er viele und weit kostspieligere Stücke von einem Juwelier kaufte, der sich seiner einzigen Tochter gegenüber so ritterlich benommen hatte. So kam der Verkauf zwischen Miss Stanton-Lacy und Mr. Bridge in liebenswürdigster Form zustande, beide Teile waren zufrieden, und Mr. Bridge, die Diskretion in Person, behielt Miss Stanton-Lacy in seinem Privatkontor, bis zwei später eingetretene Kunden den Laden wieder verlassen hatten. Schließlich mochte es Sir Horace unlieb sein, wenn bekannt wurde, daß seine Tochter genötigt gewesen war, Schmuck zu verkaufen. Ohne Wimperzucken fand er sich bereit, Sophy fünfhundert Pfund in Noten auszubezahlen; und mit einem Respekt, der nicht die leiseste Minderung erfahren hatte, komplimentierte er sie aus dem Laden.
Sophy hatte die Banknoten in ihren Muff gestopft, rief eine Mietkutsche an und ließ sich nach Bear Alley fahren. Der Wagen, den sie wählte, war keineswegs der eleganteste, dem sie begegnete, aber sein Kutscher war ohne Zweifel der originellste seiner Klasse. Ein stattlicher Mensch mit einem beträchtlichen Embonpoint, in mittleren Jahren, mit einem geröteten Gesicht, das Jovialität ausstrahlte – das war der Typ, der Sophy einiges Vertrauen einflößte und diesen Glauben noch durch die Art bestärkte, wie er den Befehl entgegennahm. Er betrachtete sie aufmerksam, rieb sich mit der behandschuhten Hand das Kinn und äußerte dann die Vermutung, hier läge wohl ein Irrtum vor, denn seiner Ansicht nach sei die Bear Alley keineswegs ein Ort, wohin eine Dame ihrer Art zu fahren wünschte.
»Wie, ist es ein Elendsquartier?« erkundigte sich Sophy.
»Es ist jedenfalls kein Aufenthalt für eine junge Lady«, meinte der Kutscher und fügte freundlich hinzu, er habe, mit Verlaub, selber Töchter.
»Nun, Spelunke oder nicht, ich will jedenfalls hin«, sagte Sophy »Ich habe dort mit einem Mr. Goldhanger zu tun, der, wie ich annehme, ein Erzlump ist; und Sie sehen mir so aus, als ob Sie nicht der Mann wären, mir einfach davonzufahren und mich an einem solchen Ort im Stich zu lassen.«
Damit stieg sie in die Kutsche; der Kutscher schloß den Schlag hinter ihr, kletterte auf den Bock und vertraute den Lüften seinen Wunsch an, aufs Maul gehaut zu werden, wenn er sich noch einmal in seinem Leben so in einem Frauenzimmer täuschte; und damit brachte er dann seinen Gaul in Gang.
Bear Alley, ostwärts von Fleet Market gelegen, erwies sich als eine enge, übelriechende Gasse, deren Katzenkopfpflaster mit Unrat jeglicher Art überhäuft war. Der Schatten des großen Gefängnisses schien über dem ganzen Distrikt zu lagern, und die Leute, die sich in den Straßen herumtrieben oder vor den Hauseingängen lungerten, zeigten eine Bedrücktheit, die nicht nur auf ihre betrüblichen Lebensumstände zurückzuführen war. Der Kutscher fragte einen Menschen, der einen abgerissenen und fettigen Mantel trug, ob er wisse, wo Mr. Goldhanger hause, und wurde zu einem Eingang in der halben Länge der Gasse gewiesen; der diese Auskunft erteilte, hatte eine Weile gezögert, bevor er antwortete, und schien auch sonst nicht gerade geneigt, sich in ein Gespräch einzulassen.
Eine Kutsche, die einstmals der Wagen eines Mannes von Stand gewesen sein mochte, erregte nicht allzuviel Aufsehen, aber als sie anhielt und eine hochgewachsene, gutgekleidete junge Dame ihr entstieg, die ihren Rock sorgsam raffte, um den Saum nicht mit den herumliegenden Gemüseresten zu beschmutzen, traten zwei Männer, die Maulaffen feilhielten, und zwei kleine, zerlumpte Burschen näher heran, um sie anzustarren. Es fielen auch Bemerkungen, doch wurden sie glücklicherweise in einem Dialekt geäußert, den Sophy nicht verstand. Sie war so oft in spanischen und portugiesischen Städten Gegenstand plumper Neugierde gewesen, daß sie sich durch solche Aufmerksamkeit nicht einschüchtern
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