Die drei Ehen der Grand Sophy
offensichtlich gab er sich der Illusion hin, daß inzwischen etwas eintreten könne, was diesen Schritt unnötig machte. In einer Anwandlung von Leichtsinn bat er Sophy, sie solle sich um seinetwillen nicht den Kopf zerbrechen, und da es aussichtslos schien, weiter mit ihm darüber zu reden, gab sie es auf.
Als er aber gegangen war, saß sie eine Weile, das Kinn in die Hand gestützt, und erwog die Angelegenheit. Ihr erster Impuls war es gewesen, die ganze Sache in die Hände von Sir Horaces Anwalt zu legen, aber diesen Gedanken verwarf sie sofort wieder. Sie kannte Mr. Menden genug, um zu wissen, daß er sich ihrem Wunsch widersetzen würde, einem Wucherer fünfhundert Pfund in den Rachen zu stopfen. Von ihm war nur solcher Rat zu erwarten, der unweigerlich dazu führen mußte, daß Huberts Torheit an den Tag kam, und das durfte natürlich nicht geschehen. Im Geist ließ sie alle ihre Freunde Revue passieren, fand aber, daß auch sie aus dem gleichen Grund gemieden werden mußten. Da es aber nicht ihre Art war, eine Sache einfach fortzuschieben, kam sie nicht eine Sekunde lang auf den Gedanken, den jungen Vetter in seinen Schwierigkeiten im Stich zu lassen. Nun schien ihr, daß es keinen anderen Ausweg gab, als sich selber mit diesem schändlichen Mr. Goldhanger auseinanderzusetzen. Sie faßte diesen Entschluß nicht ohne reifliche Überlegung, denn wenn sie auch keine Angst vor Mr. Goldhanger hatte, war sie sich doch darüber im klaren, daß junge Ladies nicht gerade Wucherer besuchen sollten, und daß ein solches Betragen höchst anstößig war. Anderseits war nicht einzusehen, wie jemals irgendwer außer Hubert davon erfahren sollte, und so kam sie zu dem Schluß, daß es blöde und feig wäre, sich jetzt von jungmädchenhaften Zimperlichkeiten lenken zu lassen. Gewiß war das nicht das Verhalten, das man von Sir Horace Stanton-Lacys Tochter erwarten durfte.
Nachdem sie aber einmal den Entschluß gefaßt hatte, sich für Hubert einzusetzen, war es charakteristisch für sie, daß sie sich nun nicht länger mit Überlegungen quälte. Und ebenso bezeichnend für sie war, daß sie gar nicht versuchte sich einzureden, sie dürfe mit Fug und Recht Huberts Schulden aus Sir Horaces Kasse decken. Ihrer Ansicht nach, und Sir Horace hätte diese Ansicht zweifellos geteilt, war es ein Ding, fünfhundert Pfund für einen Ball auszugeben, der ihrer Einführung in die Londoner Gesellschaft galt, und ein ganz anderes, ihm eine großspurige Geste einem Neffen gegenüber aufzuzwingen, von dessen bloßer Existenz er wahrscheinlich gar nichts wußte. Sie schloß ihre Schatulle auf, schüttete den Inhalt heraus und wählte die Diamantenohrringe, die Sir Horace ein Jahr vorher bei Rundell & Bridge für sie gekauft. Es waren wundervolle Steine, und das Herz tat ihr weh, sich von ihnen zu trennen; aber alles übrige, was sie an Juwelen besaß, war Muttererbe, und obwohl sie nicht den Schimmer einer Erinnerung an ihre Mutter bewahrte, schien es ihr doch ganz ungebührlich, sich von dem Schmuck der Mutter zu trennen.
Am nächsten Tag machte sie sich von der Verpflichtung frei, Lady Ombersley und Cecilia in ein Seidenhaus am Strand zu begleiten, und fuhr statt dessen unbegleitet zu den Juwelieren Rundell & Bridge. Es waren keine Kunden im Laden, als sie eintrat; doch brachte der bloße Anblick einer jungen Lady von so eindrucksvoller Erscheinung und überzeugender Eleganz den Verkaufschef dazu, diensteifrig herbeizueilen. Das war ein Geschäftsmann, der stolz von sich sagen konnte, daß er jeden Kunden von Rang, den er einmal gesehen, stets wiedererkannte. So erkannte er auch Miss Stanton-Lacy auf den ersten Blick, brachte eigenhändig einen Sessel heran und erkundigte sich, was er der Lady zeigen dürfe. Mit ihrem Anliegen vertraut gemacht, sah er wie vom Blitz getroffen aus, meisterte aber rasch seine Verblüffung und brachte einen Untergebenen mit einem Zucken seiner Augenlider dazu, Mr. Bridge persönlich auf die Bildfläche zu bringen. So erschien Mister Bridge im Laden und verneigte sich höflich vor der Tochter eines Kunden, der so manches kostbare Schmuckstück bei ihm gekauft, wenn auch zumeist für eine ganz andere Klasse von Frauen; er bat Sophy, ihm in sein Privatbüro zu folgen, das sich an den Verkaufsraum anschloß. Was er davon hielt, daß sie Ohrringe verkaufen wollte, die sie ein Jahr vorher sorgfältig ausgewählt hatte, äußerte er wohlweislich nicht. Eine höfliche Frage nach Sir Horaces Befinden ergab, daß
Weitere Kostenlose Bücher