Die Drei Federn - Joshuas Reise (German Edition)
zusehen, wie ich von dem Körper des Pegasus zehre und du wirst für immer mit der Gewissheit leben, dass du nichts getan hast, um mich davon abzuhalten. Dies wird dein Feind sein, der Gegner, den du den Rest deines Lebens verfolgen wirst. Es wird ein Krieg sein, der tief in dir gekämpft wird, und du wirst auf seinem Altar geschlachtet werden, jedes Mal, wenn du an sie denkst. Du wirst ihren Schmerz spüren und ihre Liebe wird dir entrinnen und nichts wird deine ruhelose Seele trösten können.“
Krieg war erstarrt. Unfähig, sich zu bewegen, stand er da und starrte den Geier an. Jede Faser seines Seins befahl ihm, sich mit all seiner Kraft auf den Geier zu stürzen. Aber was er in dessen Augen lesen konnte, löste in ihm den Wunsch aus, sich stattdessen irgendwo zu verkriechen. Krieg, wahrscheinlich das größte Kriegspferd seiner Zeit, war gelähmt durch seine Angst und ein so gewaltiges Entsetzen, dass er nichts tun konnte, als seine Niederlage zu akzeptieren.
Joshua konnte hören, was der Geier zu dem Wolf und dem Pferd sprach. Als er ihn betrachtete, konnte er den unerbittlichen Griff des Todes an seiner eigenen Kehle spüren. Das Atmen fiel ihm plötzlich schwer. Er fühlte Kriegs Entsetzen und Graus Verzweiflung, als wären es seine eigenen Emotionen, aber durch all das hindurch spürte er noch die Anwesenheit von etwas anderem. Es kam von irgendwo tief aus dem Schatten der Höhle. Es war gewaltig, sein Bewusstsein unermesslich und seine Macht beinahe grenzenlos. Jedenfalls unter normalen Umständen. Aber Joshua fühlte auch, dass es sich wie er und die anderen in der Gefangenschaft des Geiers befand.
„Helft mir“, flüsterte der Drache schwach in seinen Gedanken. „Helft mir!“
Und eine Sekunde lang konnte Joshua das Ausmaß der Alpträume spüren, die die Kreatur durch den Geier erdulden musste. Es waren Alpträume, gesponnen aus den Träumen des Drachen, die einmal von einer solchen Schönheit gewesen waren, dass sie ihn zum Weinen gebracht hätten. Aber nun war all die Schönheit verschwunden und übrig geblieben war immerwährende Hoffnungslosigkeit.
Plötzlich kam Bewegung in den Bereich außerhalb des Lichtstrahls. Die Spinnen kamen zurück und krabbelten die beiden Säulen hinauf, zwischen die Winds Netz gespannt war. Sie krabbelten überall auf ihr herum und zuerst sah es aus, als ob sie das Netz noch verstärkten. Aber dann sah Joshua, dass die Spinnen sie losbanden und hinunter zum Boden trugen. Joshua und die anderen traten beiseite, ansonsten wären sie von den Spinnen überrannt worden, die Winds schlaffen Körper an einen bestimmten Platz brachten und sie auf den Steinboden betteten. Sie verschwanden, so schnell sie gekommen waren, zurück in die Schatten der Höhle.
Und dann dämmerte es Joshua. Wind befand sich nun ganz in der Nähe des Sees. Als sein Blick Graus kreuzte, wusste er, dass der Wolf dasselbe dachte. Graus Erinnerung daran, seine Gedanken abzuschirmen, lag ebenfalls in seinem Blick. Wenn sie den Pegasus irgendwie ins Wasser bekommen könnten, würde das Leben vielleicht in sie zurückkehren. Joshua fühlte einen Funken Hoffnung in seine Seele zurückkehren – Hoffnung, dass sie vielleicht doch noch eine Chance hatten. Er war schwach, aber ein Funke war vielleicht alles, was sie brauchten. Ein Funke und ein Moment der Überraschung. Wenn sie alle auf einmal auf den Geier lossprangen und ihn irgendwie erwischten, bevor er abheben konnte... Vielleicht konnten sie es doch noch schaffen, ihn zu besiegen.
War das ein Grinsen? Er dachte zunächst, seine Augen spielten ihm einen Streich. Der Geier grinste nicht wirklich. Aber ihm wurde klar, dass er in Gedanken grinste. Und sein Grinsen wurde zu Gelächter. Es verspottete die drei Gefährten, die einander ansahen und nicht wussten, was sie davon halten sollten. Dann wurde es ihnen klar. Er wusste über das Wasser Bescheid. Und er wusste, dass sie es wussten. Er hatte es gewusst, seit sie die Hyänen in der Stadt besiegt hatten. Er spielte mit ihnen, mit ihren Hoffnungen, baute sie auf, nur um sie dann wieder zu zerstören.
„Du bist sehr scharfsinnig, Joshua Aylong.“ Er fühlte, wie die Krankheit des Geiers in seiner Seele wütete, während er nach jedem Gedankenfetzen suchte, um ihn gegen ihn zu verwenden. Es war vorbei. Und er fühlte sich plötzlich zurückversetzt an jenen Tag, als der Bauer den anderen Hahn aus dem Stall geholt und ihn zu Boden gedrückt hatte, um ihm den Kopf abzuschlagen. Er spürte dasselbe
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