Die Drei Federn - Joshuas Reise (German Edition)
sie gehörten. Ihre Körper wurden leicht und durchsichtig und einen Moment später waren sie verschwunden. Die Netze zerfielen neben ihnen.
Joshua fühlte, wie ihn beinahe sofort seine Kraft verließ. Er war bis weit über seine Grenzen hinaus erschöpft und sank zu Boden. Er sah, wie der Wolf neben ihm zusammenbrach und er sah Wind und Krieg, die sich gegenseitig stützten, bevor sie sich hinlegten. Er sah, wie der Drache seinen Kopf auf seine Vorderbeine bettete. Bevor Joshua in einen tiefen Schlaf fiel, erinnerte er sich, dass er schon einmal hier gewesen war, dass er in seinen Träumen in dieser Höhle umhergewandert war. Er hatte das Ziel seiner Reise beinahe erreicht. Als er jedoch seine Gefährten betrachtete, fand er den Preis dafür zu hoch. Der Stich der Reue folgte ihm in den Schlaf und verließ ihn auch nicht, als er wieder erwachte.
* * *
„Joshua... Joshua...“ Graus Gedanken fegten sanft über ihn hinweg. „Joshua, wach auf.“
Joshua schlug die Augen auf. Der Wolf stand über ihm und stupste ihn mit seiner Nase an. Grau wirkte erschöpft. Er hatte seit Tagen nichts gegessen. Sein Fell starrte vor getrocknetem Blut – eine Erinnerung an seine Kämpfe mit den Hyänen und ein Zeichen der Opfer, die Grau für ihn erbracht hatte. Nach allem, was passiert war, hätte Joshua glücklich sein sollen, dass er am Leben war. Aber er verspürte Verzweiflung. Als er Wind und Krieg betrachtete, die ein Stück weiter nebeneinander lagen, kam er sich unendlich selbstsüchtig vor. Beschämt wandte er den Blick ab. Nie zuvor schien seine Suche nach ein paar Federn irgendwo in einem Berg so lächerlich wie in eben diesem Moment. Was hatte ihn dazu getrieben? Warum war er seinem Traum gefolgt – einem Traum, der nichts als Schmerzen über jeden gebracht hatte, der davon betroffen war, ihn eingeschlossen?
Er spürte, dass mit seinem Körper irgendetwas nicht stimmte. Da war ein Schmerz, der tiefer ging als oberflächliche Kratzer. „Werde ich dafür mit meinem Leben bezahlen?“, fragte er sich. In diesem Moment schien es ihm nur recht und billig, wenn er sterben würde.
„Unsinn“, unterbrachen ihn wie üblich die Gedanken des Wolfs und versuchten, die seinen aufzubrechen und in eine andere Richtung zu lenken.
„Nicht dieses Mal“, dachte Joshua zurück. „Was ich getan habe, war falsch. Ich hätte niemals aus dem Pferch flattern sollen. Du, Grau, wärest dann besser dran gewesen. Und alle anderen auch. Sieh sie dir an! Sieh dich selbst an! Verstehst du nicht! Der Geier kam wegen mir und wir sind alle beinahe gestorben und mit uns diese ganze Welt und viele Welten über sie hinaus. Was ich getan habe, war vollkommen verantwortungslos.“
„Du bist zu mir gekommen und hast mich befreit.“ Winds Wärme umgab ihn wie eine Brise im Sommer und linderte seinen Schmerz für einen Augenblick. „Du wusstest, was passieren würde, und du bist zu mir gekommen.“
„Bin ich nicht. Das war Krieg“, gab Joshua zurück.
„Und ohne dich hätte ich es niemals zu ihr geschafft“, erwiderte Krieg.
„Du hättest es auch alleine hingekriegt. Du wärst schneller gewesen. Ohne mich wärst du überhaupt nicht in dieser Situation gewesen.“
„Ja. Du hast recht, Joshua.“ Krieg erhob sich. „Ohne dich wäre ich jetzt tot.“
„Und ohne dich wäre ich immer noch in dem Felsen gefangen“, fügte Wind hinzu. „Du gehst zu hart mit dir ins Gericht, Joshua. Lass uns dir helfen.“
„Nein. Das könnt ihr nicht. Außerdem bin ich in meinen Träumen alleine durch diese Höhle gegangen. Niemand war dort außer mir.“
„Aber verstehst du denn nicht?“, antwortete Wind. „Du hast alleine davon geträumt, doch alleine wärst du nicht hierhergelangt. Wir sind jetzt hier. Mit dir. Wir möchten, dass du findest, wonach du die ganze Zeit gesucht hast–“
„ABER WAS, WENN ES BEDEUTUNGSLOS IST?“ Joshua war selbst überrascht über seinen Ausbruch. „Was, wenn... wenn dort einfach nur drei Federn auf einem Stück Felsen liegen und ich... wir... all das durchgemacht haben, um zu erkennen, dass es sinnlos war?“ Und da war sie. Die Angst vor der möglichen Sinnlosigkeit seiner Reise hatte ihn endlich eingeholt. Er hatte diesen Gedanken während ihrer Reise immer wieder gehabt, aber niemals war er ihm so klar erschienen. Und jetzt war er heraus und seine Freunde wussten davon... wussten, dass er aller Wahrscheinlichkeit nach ein Betrüger war. Was würden sie denken? Er fühlte sich wie ein
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