Die Drei Federn - Joshuas Reise (German Edition)
des anderen.
Kapitel 24 – Heimat
Als sie die Höhle betraten, trauten sie ihren Augen nicht. Beeindruckt betrachteten sie die gewölbte Decke, deren sanfter Lichtschein den Boden erleuchtete, auf dem sie standen. Joshua fragte sich, wie er das hatte vergessen können. Er sah die Muster auf den Wänden und der Decke, die aussahen wie Flüsse, Täler und hohe Plateaus. Er sah eine große, kreisrunde Ausbuchtung in der Mitte der Decke und die quarzartigen Bereiche, die aussahen wie Weideland, durchzogen mit Fäden tiefblauen Aventurins. Er sah einen Teil eines großen Sees und einen Moment lang dachte er, seine Augen spielten ihm einen Streich. Als er genauer hinsah, entdeckte er etwas, das aussah wie ein kleines Haus mit einem zweiten Gebäude daneben. Und von dort fand sein Blick die große Wiese und den Wald dahinter.
„Was ist das?“, fragte er, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten.
„Ich sehe das Höhlentor“, antwortete Krieg.
„Wo?“
„Genau hier.“ Krieg betrachtete die Deckenmitte. Und jetzt sah Joshua es auch. Die runde Ausbuchtung in der Decke war eine perfekte Miniatur des Höhlentores. Er sah den Wasserfall und er entdeckte das, was einmal das Spiegellabyrinth gewesen sein musste.
„Seht nur! Die Stadt der Lichtruinen!“, rief Wind aus.
Und nun konnte Joshua die leuchtenden Gebäude sehen und die Lichtsäule in ihrer Mitte.
„Wie ist das möglich?“, dachte er.
„Das Tor der Zeit“, antwortete Drache-auf-dem-Stein.
„Das Tor der Zeit?“, wiederholte Joshua.
„Ja. Diese Höhle, genauer gesagt ihre Decke, ist auf genau derselben Höhe wie das Tor der Zeit, das das Höhlentor überspannt. Es ist eine horizontale Schicht, die du durchdrungen hast, als du heruntergekommen bist. Und weil es sich zwischen dem Fluss der Zeit auf der Oberfläche und dem darunter befindet, ist es selbst zeitlos. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erscheinen im gleichen Moment. Was du siehst, Joshua, ist deine eigene Reise. Vom Anfang bis zum Ende.“
Als sie tiefer in die Höhle vordrangen, entdeckten sie die Zuflucht und den Tränensee. Wind schnappte kurz nach Luft, als sie den Hügel mit den Spinnenlöchern erkannte. Sie folgten dem kleinen Fluss, der vom Tränensee zur Porte Des Lioness führte, und von dort aus tief in den Berg hinein. Sie sahen den riesigen Kopf der Löwin in der Felswand und darunter den Teich, an dem Broga auf sie gewartet hatte. Sie sahen die Höhle, in der der Geier Wind beinahe umgebracht hatte, und sie sahen das dunkle Tor im Berg, das er benutzt hatte, um den Pegasus hineinzubringen. Von dort folgten ihre Augen der Straße durch die Bergarbeiterstadt bis zum Bau des Drachen. Sie sahen den Krater, aus dem Alda aufgetaucht war und sie sahen den Kamin, in dem sie zu der zweiten Höhle aufgestiegen waren. Von dort aus folgten sie der blauen Quarzfaser von der Decke zum Boden hinunter. Und da war es.
Die Steinsäule stand an der Wand am anderen Ende der Höhle. Als Joshua sie sah, hielt er sie für klein, unscheinbar, beinahe schlicht. Doch die Anziehung, die sie auf ihn ausübte, war stark und er konnte nicht anders, als ihr zu folgen, bis er davorstand. Er konnte nicht sehen, was auf ihrer flachen Oberseite lag, denn die Säule war über einen Meter hoch, aber er sah, was sich dahinter befand und für einen winzigen Moment war es, als sehe er sich selbst. Doch es war eine lebensgroße Skulptur der Löwin, deren Gesicht er in der Zuflucht gesehen und deren Anwesenheit er gespürt hatte, als er gegen die Spinnen und den Geier gekämpft hatte. In diesem Moment wurde ihm klar, dass er ihre Gegenwart nicht länger leugnen konnte, so sehr er es seitdem auch versucht hatte. Er hatte ihr einmal Zugang gewährt und er konnte diese Tür nicht mehr zuschlagen. Sie musste geöffnet bleiben.
Er wandte sich um und sah seine Freunde an. Er sah es in ihren Augen, sah in ihnen, was er nicht in sich selbst sehen konnte. Er sah die Macht und die Kraft und die Anmut der Löwin in jedem einzelnen von ihnen, und sie strahlte auf ihn zurück. Und so konnte er sie nicht länger verleugnen. Er hieß sie in sich willkommen und sie füllte die Lücke, die er für sie geschaffen hatte, und er fühlte ihre Kraft in sich aufsteigen. Und plötzlich wusste er es. Wusste, was der Zweck seiner Reise gewesen war, wusste, wohin die Federn ihn geführt hatten.
„Grau, mein lieber Freund“, dachte er zu dem Wolf. „Ich möchte, dass du dir das ansiehst. Sag mir, was du
Weitere Kostenlose Bücher